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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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Geld dazuverdienen. Kurse, Wochenendseminare, Fernschulungen, die alle um mein neues Lebensthema kreisen: SPERMAVERHALTEN . Ganzheitliche Körperarbeit nach den Lehren des Schamanen Heinz Strunk: Wir lernen, unseren Samen zu halten und zu bewahren. Denn wer Samen verschleudert, verschleudert Energie.
     
    Kurz vor drei wecke ich meinen Freund. Nach Cappuccini und Sprite geht’s zum Strand, wo wir bereits von den Grüßaugusten erwartet werden.
    « ALLES KLAR ? SCHWEINEHUNDE , DECKUNG ! HAHA .»
    Ein Tag gleicht dem anderen schon jetzt wie ein Ei, herrlich, am Ende werden wir unser Programm mit einhundertprozentiger Genauigkeit abspulen. Perfekte Synchronizität: Man könnte zwei Tage übereinanderlegen und würde keinen Unterschied bemerken. C. möchte vor der Nachmittagsschicht noch eine Zigarette rauchen. Rauchen, schweigen, aufs Meer schauen, schweigen, rauchen, aufs Meer schauen, aufs Meer schauen, rauchen, schweigen. Heute mal ohne nerviges
Monkey see, monkey doo
-Gebrülle, der Affenmann scheint seinen freien Tag zu haben.
    Der Ozean schimmert türkis. Bis ca. 14 Uhr ist Ebbe, dann setzt die Flut ein.
    Voll, sage ich, jetzt ist der Ozean vollgelaufen.
    Genau, meint C., vollgelaufen, das ist das richtige Wort.
    Hitze. Wellen. Vogelkreischen.
    Als Ausgleich zur Kopfarbeit benötigen wir Zerstreuung, wir haben ein tiefes Verlangen nach Gedankenleere; die Flucht in Dämmern, Alkohol und Glücksspiel ist in dem Wunsch begründet, wenigstens ein paar Tage im Jahr in selige Bewusstlosigkeit und selbstverordnete Dummheit abzutauchen.
    Mit der Ruhe ist es vorbei, als wenige Meter von uns eine Familie Quartier bezieht, die einer nachmittäglichen Dokusoap entsprungen sein könnte: der Mann, fliehendes Kinn, fusseliges, rotblondes Bärtchen, in den kaputten Kiefer geschraubte Kunstzähne; der Kopf sitzt auf seinen dürren Schultern wie ein funktionsuntüchtiger Leuchtturm. Die Frau, praktisch keine Figur, das wulstige Fleisch farblos wie das einer Schnecke, winzige Tätowierung am Oberarm, die wie ein halbherziges Aufbegehren gegen den vorgezeichneten Lebensentwurf wirkt. Das Kind, dicklich, stumpfes, plattes Gesicht. Er hat erkennbar irgendeine schwere Macke, ADHS sowieso, vielleicht noch ein seltener genetischer Defekt, eine Art Entstellung, nicht lokalisierbar, mehr spürbar als sichtbar.
    Was machen die hier? Einzige Erklärung: Die haben die Reise gewonnen. Sie breitet die mitgebrachten Sachen auf einer Decke aus, offenbar unterläuft ihr dabei ein Fehler, denn er brüllt sie unvermittelt an: « DAS DARF DOCH WOHL NICHT WAHR SEIN ! KANNST DU MIR MAL SAGEN , WIE DU DAS I MMER MACHST ?» Statt zu antworten, zieht sie blitzschnell den Kopf ein und dreht sich weg, eine offenbar geübte Bewegung, um weniger Angriffsfläche zu bieten. Durch die Drehung des Körpers legt sich ihr Bauch in ein paar übereinandergeschichtete Wülste. Der Junge versenkt eine Handvoll M&M’s im Mund, seine Finger sind schokoladenverschmiert, der Schmutz unter den Nägeln sieht widerlich aus. Ein paar von den Dingern landen im Sand. Der Mann: «Dustin, das gibt es doch nicht.» Zur Frau gewandt: «Kannst du
deinem
Sohn nicht einmal beibringen, wie man richtig isst?» Oje, auch das noch, Dustin ist das Kind aus einer vorherigen Beziehung. Die Höchststrafe der Evolution: das missratene Kind eines anderen großziehen. Wie die miteinander umgehen, kann es zu keinem Zeitpunkt schön gewesen sein, auch ganz früher nicht. Irgendwann haben sie sich undurchdacht zusammengetan, und nun müssen sie zusammenbleiben, für immer.
    LET LOVE RULE .
    Aus Hass und Verbitterung und Nervosität und Verwirrung zerstören sie sich gegenseitig, wie zwei Maschinen, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Der arme Dustin. Dustin, der Eisige, fällt mir ein. Ich stelle mir vor, wie er von seinem Stiefvater jeden Abend in ein Kühlhaus gebracht und dort schockgefroren wird. In aller Herrgottsfrühe holt ihn seine Mutter wieder ab, taut ihn auf und bringt ihn zur Schule. Ab und an hakt die Defrost-Funktion, und er ist zum Unterrichtsbeginn noch ein wenig angefroren. Eine Familie zum Knutschen. Familie Flodder. Ganz klar, Familie Flodder.
     
    C. zündet sich die nächste Zigarette an.
    «Solange du krank bist, solltest du nicht so viel rauchen.»
    «Lass das mal meine Sorge sein, Rauchen ist neben Essen die einzige Freude, die mir bleibt. Also, Samstag, Tag zwei: Heino wacht auf, anstelle Martinas liegt der Pudel neben ihm. Sie hat einen Zettel hinterlassen: ‹Komme

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