Heinz Strunk in Afrika
entwickeltem Unterkiefer bleibt stehen und mustert uns scheeläugig. Eine Gestalt wie aus einem Horrorfilm. Voodooesk. Vielleicht ein Hexenmeister. Alles wird von grausamen und gespenstischen Mysterien beherrscht. Wir gehen hastig weiter, bis sich auf der rechten Seite eine Lücke auftut. Eine grüne Lücke, grüne Lunge: der Uhuru Park. Naja, Park ist vielleicht etwas übertrieben, eher eine
Fläche,
mit Rasen, ein paar Bänken, einem Spielplatz, im Zentrum ein winziger Teich und irgendwelche historischen Reste. Verstümmelte Figuren, der einen fehlen Arme, die andere hat statt eines Kopfes nur ein rostiges Stahlrohr. Abgeschlagene Nasen, herausgehauene Augen, zerfressene Rümpfe, Säulenreste, Andeutungen von Treppenstufen, so was. Obwohl der Uhuru Park lächerlich klein wirkt und ihm etwas Provisorisches anhaftet, ist es irgendwie doch ein schöner Ort, friedlich und einladend. Es riecht nach Vergebung, Trauer und Ruhe, denke ich. Erschöpft sinken wir auf eine Bank. Schweigen. In stiller, unausgesprochener Vertrautheit nehmen wir die Dinge, wie sie kommen. Mich überkommt nebliges Wohlbehagen, mein Verstand wird schwerflüssig. Hitzedämmer. C. steckt sich eine Zigarette an, bei jedem Ein- und Ausatmen dringt Pfeifen aus seiner Lunge. So gesund, wie er gern wäre, ist er wohl doch nicht.
«Was mag Uhuru Park wohl bedeuten? Wahrscheinlich Vogelpark.»
«Du verwechselst Uhuru mit Uhu, Bursche. Da steht’s doch.»
Er deutet auf eine Tafel. Friedenspark. Wie schön.
Unvermittelt schreckt C. hoch und tippt auf seine Uhr. Schon halb zwei. Die Zeit rennt; wenn wir noch etwas von der Stadt sehen wollen, müssten wir dringend los, wenn es
spätestens um acht
ins Casino gehen soll. Wieso eigentlich schon um acht? Haben wir doch gar nicht abgesprochen. Wir waten durch graue Hitzenebel, bis wir an einen Platz gelangen, dessen Mittelpunkt das
Central Cafe
ist. Endlich, Kaffee und Sprite, wie gut das tut. Die Flüssigkeit erlischt im ausgedorrten Gaumen wie in einem trockenen Tuch. Plötzlich einsetzender, schriller, gellend lauter Baulärm. Nicht zum Aushalten.
«Und nun?»
«Mombasa hat doch einen Hafen. Lass mal hin; ist vielleicht auch etwas kühler da.»
C. winkt ein Tuc-Tuc-Taxi herbei, eine Art zum Kleinwagen hochgejazztes Mofa ohne jegliche Dämpfung und Federung. Durch die heftigen Stöße verrutscht C.s Brille. Unter freudigen Juchhu-, Autsch- und Holla-Rufen rückt er sie wieder zurecht. Schubartiger Rückfall ins Infantile.
Soweit wir es überblicken können, ist der gesamte Hafen von hohen Metallzäunen umgeben. Schlagbäume, Verbotsschilder und berittene Polizei verstärken den hochsicherheitstraktartigen Eindruck. Das Stammheim Kenias.
«Hä, was ist das denn? Siehst du irgendwo einen Eingang?»
«Nein.»
Aha. Eine Art Kriegshafen. Begehung Fehlanzeige, Besichtigung Fehlanzeige, Hafenrundfahrt Fehlanzeige, Dämmertörn Fehlanzeige, Schiffe Fehlanzeige, tatsächlich ist weit und breit kein einziges Schiff zu sehen. Vielleicht ist er auch gesperrt, damit somalische Piraten ihre nächste Kaperfahrt vorbereiten können. Oder es gibt noch einen zweiten, öffentlich zugänglichen Hafen. Wir erkundigen uns bei einem Taxifahrer; nein, der hier sei der einzige.
«You should have a look at the
Seamen’s Club
.»
«
Seamen’s Club
? What is it?»
Er lächelt geheimnisvoll und raunt:
«You will like it, I am sure.»
Wir steigen ein.
Der
Seamen’s Club
hat mit einem klassischen deutschen Seefahrerheim weniger als gar nichts gemein. Im Vorgarten stapeln sich platte Reifen, Gerümpel, Plastikflaschen, Betonbrocken, das
Vereinsheim
ist ein grauverputztes Flachdachhaus. Unkraut wuchert das Gelände zu, es riecht faulig, nach Müll und Verdorbenem. Wir werfen einen Blick durch die blinden Scheiben: Umgeworfene Gläser, Flaschen und Stühle, Unrat und verschmutzte Kleidung liegen überall verstreut auf dem Boden. Gespenstisch. Es sieht aus, als habe seit einer rauschenden Abschiedsparty vor vielen, vielen Jahren niemand mehr einen Fuß in den
Seamen’s Club
gesetzt. Und nun? Ich entdecke einen fast zugewachsenen Trampelpfad, der zum rückwärtigen Teil der Anlage führt. Aha, interessant. Irgendwie hab ich im Gefühl, dass uns noch eine
Überraschung
erwartet.
Ein psychedelisches Szenario der Extraklasse erwartet uns: eine von grauen Betonwänden eingeschlossene, asphaltierte Terrasse, in der Mitte ein Swimmingpool. Keine Pflanze, kein Nix, der Asphalt ist an mehreren Stellen geborsten, fehlt nur noch
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