Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
Vom Netzwerk:
Stacheldraht. Das extrem gechlorte Wasser verschlägt mir den Atem. Beton, Zement, Kacheln, so weit das Auge reicht. So oder so ähnlich müssen die Datschen der Nomenklatura ausgesehen haben, streng gesicherte Klötze, über denen eine Glocke aus Chlor, Elektrosmog und Irrsinn hängt. Aber was ist das? Da! Dahinten! Von einem riesigen Sonnenschirm fast verdeckt, sitzen vier dicke, weiße alte Männer und eine grotesk überschminkte Oma um einen Plastiktisch und nippen an ihren Drinks. Quintole des Grauens. Als wäre es das Normalste auf der Welt, in und um ein Betonloch zu hocken und auf grünes, schlackerndes, giftiges Wasser zu gucken. Wo haben die ihre Getränke her? Hat der
Seamen’s Club
etwa doch geöffnet? Was zum Teufel geht hier vor? Und warum hat der Taxifahrer uns diesen unwirtlichen, menschenfeindlichen Ort empfohlen? C., der sich weder am beißenden Chlorgeruch noch an der übergeschnappten Atmosphäre zu stören scheint, sinkt grunzend auf eine Liege, streift umständlich seine Schuhe ab und zündet sich eine Zigarette an. Aus seiner Lunge dringt tiefes Bronchialschnurren.
    «Wie, willst du etwa bleiben? Das ist doch total verrückt hier. Lass uns gehen!»
    «Bitte, die eine Zigarette. Ich brauch mal fünf Minuten Pause.»
    Schwarzblaue Fliegen sirren um unsere Köpfe, fette, giftig glitzernde Viecher. Das fällt mir deshalb besonders auf, weil Kenia bisher durch Abwesenheit von Insekten geglänzt hat. Und nun das, mutierte Todesfliegen, wir sind in eine Fallout-Zone geraten. Es herrscht vollkommene Stille. Wahrscheinlich ist die gesamte Anlage schalldicht. Und schusssicher. Der einzige Atombunker Afrikas, Codename
Seamen’s Club
. Lotrechte Stille. Schlick. Abrieb. Trübstoff. C. raucht. Auf der Lehne meiner Liege klebt ein grünes Fruchtbonbon. Ich schnippe es weg. Hoffentlich hat’s keiner gesehen.
    Der dickste der Männer schraubt sich aus seiner Liege und watschelt auf uns zu. Obwohl er fett ist wie ein Wal, sind seine Beine sehnig und dürr wie Stöcke. Die aufgedunsenen Wangen und der volle, erschlaffte Mund haben etwas Eingeweichtes, ich muss an eine in warme Milch gestippte Semmel denken. Er baut sich drohend vor uns auf und gibt uns in gebrochenem Englisch zu verstehen, das hier sei ein Privatgrundstück, und wir hätten unverzüglich zu verschwinden. Ende der Durchsage. Er watschelt zu den anderen Irren zurück. Eiserne Gesichter. Schweigen. Chlor. Beton. Giftfliegen.
    C. zieht hastig seine Schuhe an, wir sehen zu, dass wir Land gewinnen. Grußlos ab durch die Büsche. Plötzlich spüre ich einen schneidenden Schmerz in der rechten Kniekehle und sinke zu Boden. O nein, o nein, o nein. Jetzt sind wir dran, sie sind uns gefolgt und haben uns die Sehnen durchtrennt! Als Nächstes schneiden sie unsere Stimmbänder durch und lassen uns einen ganzen Tag und eine ganze Nacht liegen. Am Morgen des zweiten Tages ersäufen sie uns im Estrich. Dichtkacheln. Und filmen unseren Todeskampf. Jetzt wird auf einmal alles klar: Der
Seamen’s Club
ist ein Drehort für Snuff-Movies! Der Taxifahrer steckt mit ihnen unter einer Decke und führt ihnen immer wieder neue, arglose Opfer zu!
     
    «Was machst du schon wieder, Bursche!» Ich wimmere vor Schmerzen, er zieht mich hoch und schleift mich weiter. Mit zusammengebissenen Zähnen tippele ich von einem Bein aufs andere, der Schmerz lässt nach, wohl doch nichts gebrochen oder gerissen. Und nun? Auf ein Taxi warten, das eh nicht kommt? Zurück zum Hafen, auf gut Glück loslatschen? C. bohrt sich apathisch im Ohr. Rrööng, rrööööönng. Mofas, Motorräder, Mopeds, Mokicks. Rröööörrrnnggg. Rrööööörrrrgggg. Knatter. Schepper. Knöter. Klingt irgendwie nach Motorschaden. Oder Dämmwolle aus den Endtöpfen verheizt. Oder Kette muss nachgespannt werden. Oder Scheinwerfereinsatz rappelt. Röööönngggg. Immer noch ist nichts zu sehen. Knatter. Schepper. Heul. Vor uns biegen zwei Mopeds auf die Straße und halten, eingehüllt in eine Staubwolke, pfeilschnell auf uns zu. Weit und breit niemand zu sehen. Also niemand, der uns helfen könnte. Die jugendlich aussehenden Fahrer ducken sich tief über ihre Lenker. Eben noch sind wir im
Seamen’s Club
dem Tod von der Schippe gesprungen, um jetzt Opfer juveniler Intensivtäter zu werden. Ob sie uns wohl erst berauben und dann umbringen? Oder nur berauben? Oder nur umbringen? C. greift nach meiner Hand. Schlagzeile: «Stockschwules Pärchen in Kenia totgeprügelt. Im Todeskampf hielten sie sich eng

Weitere Kostenlose Bücher