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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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wie ein Zentrum gibt es nicht. Alles ist Zentrum und eben nichts. Titus lässt uns beim
Casablanca
(24 Hours Open Drinks. Disco. Gogo-Dancing) raus, von hier aus komme man überall gut hin. Und, wie gesagt, wir könnten ihn jederzeit anrufen …
     
    Das
Casablanca
ist ein schäbiges zweistöckiges Zementhaus mit einem Gewirr von elektrischen Drähten auf dem Dach.
Hotspots
sehen anders aus. Schwer vorstellbar, dass hier nachts richtig was los ist. Das Erdgeschoss ist mit lauter Gerümpel vollgestellt, leere Getränkekisten, übereinandergestapelte Stühle und Klapptische, kaputte Fernseher. Vielleicht wird ja abends umgeräumt, denke ich. Und dann ist Happy Dancing. Eine enge, wurmstichige Treppe führt in den ersten Stock. Aha, eine Art Café/Restaurant. Ungefähr ein Dutzend People sitzen vor ihren Drinks. Die Luft ist träge und billig, Schweiß und schlechtes Deo. Niemand beachtet uns. Wir stellen uns mit zwei Bier ans offene Fenster und gucken nach draußen. Gegenüber ist ein kleiner, vergammelter Stripteaseclub, vor dem eine Reihe enthäuteter Kaninchen hängt. Interessante Kombination.
    «Hello guys, where are you from?»
    Ich drehe mich um und bekomme einen Riesenschrecken. Die Frau könnte die ältere Schwester der Waldnutte sein. Sie schaut uns aus hervorquellenden Augen erwartungsvoll an. Höflich, wie wir sind:
    «He is coming from Germany, and I am from Austria.»
    «Oh, I love it. I can show you Mombasa, I can show you nice places with lots of pretty girls.»
    «Oh, yes, thank you, but we would like to be alone. But thank you very much.»
    Pause.
    Sie grinst uns aus zahnlosem Mund an, Schleimbläschen blubbern unter ihren Nasenlöchern. Unvermittelt greift sie C. ins Gesicht und rubbelt an seiner Wange herum. Er zuckt zusammen, lässt sie jedoch gewähren. Die Frau, an mich gewandt:
    «He is a nice guy. A really nice guy.»
    «Oh, yes, he is. My best friend.»
    Ihre Augen verengen sich, und ihr Gesichtsausdruck bekommt etwas Flehendes.
    «Please, I want a drink, can I get a drink?»
    Ich, irgendwie erleichtert:
    «Yes, but just you and not everybody around.»
    Ich grinse dämlich. Humor ist eine Sprache, die man überall auf der Welt versteht.
    «Thank you, you are nice guys.»
    Sie gibt C. eine leichte Ohrfeige und bestellt am Tresen einen klebrigen Cocktail, das obere Drittel gelb, das mittlere grün, das untere rot. C. klemmt eine Tausend-Schilling-Note zwischen Aschenbecher und Tisch und bedeutet mir mit einer knappen Handbewegung, dass ich ihm folgen soll. Obwohl ich noch gar nicht ausgetrunken habe. Typisch, immer geht es nach seiner Nase. Leise fluchend tastet er sich die Treppe hinunter. Wenn das so weitergehe mit den Ausgaben, wären wir spätestens bis zum Abend all unser Geld los, und dann könnten wir die Kugeln vergessen, ich solle mich also bitte ein wenig zusammenreißen. Wieso ich?
     
    Orientierungslos stehen wir vor dem
Casablanca
. Die Straße ist gerade, grau und staubig. Kein Sonnenstrahl dringt durch die Wolkendecke. Afrika ist nichts anderes als ein riesiger Dampfkessel. Und nun? Links, rechts, geradeaus? Fast immer, ist mir mal aufgefallen, entscheidet man sich für links, links schlägt das Herz, links ist Bewegung, links führt zu etwas. Rechts und geradeaus endet in Sackgassen, Niemandsland, Ödnis, toten Punkten, Nirwana, Großbaustellen, Kehren ohne Wiederkehr. Warum das so ist, weiß kein Mensch. Also ich jedenfalls nicht. C. ist jetzt schon bleich vor Erschöpfung, seine Augenlider sind gerötet, die Wangen eingesunken und fahl. Ein fuchsroter feister Hund, der aussieht wie ein Schwein, läuft von links nach rechts über die Straße, bleibt mit heraushängender Zunge stehen, einen Augenblick sieht es so aus, als wolle er bellen, doch das Wau bleibt ihm in der Kehle stecken, oder er ist zu faul oder sonst was. C.s Hände hängen herunter wie zwei Krebsscheren, sein Atem geht schwer, hastig und stoßweise. Ich schaue ihn an, er winkt unwirsch ab. Gesprächsversuch meinerseits:
    «Ein Stadtbummel ohne
Pimkie
,
Vodafone
oder
Pizza Hut
ist doch mal eine Wohltat, findest du nicht?»
    «Für dich vielleicht. Ich habe Anfang der neunziger Jahre Bukarest bereist. Wenige Tage zuvor hatte dort die allererste McDonald’s-Filiale Rumäniens eröffnet. Für die Menschen war das damals ein Signal, dass die Welt sie noch nicht vergessen hat.»
    «Aha.»
    Eine Gruppe Männer kreuzt unseren Weg, sie wirken belastet und abgekämpft. Ein flachgesichtiger Bursche mit übermäßig breit

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