Heirate keinen Arzt
»Also, wenn Sie keins dahaben, macht es auch nichts. Es ist sowieso besser, er nimmt nichts ein. Wiedersehen.« Und sie hängte ab. »Jetzt eine Tasse Kaffee«, fuhr sie fort und schritt auf ihren flachen Sportschuhen rasch aus der Stube.
Loveday bemerkte meine hochgezogenen Brauen. »Kurzangebunden mit den Patienten, wie? Das können Sie sich auch mal leisten, wenn Sie so viele Praxisjahre hinter sich haben wie sie. Die Leute haben nichts lieber. Können gar nicht genug davon kriegen. Aber mißverstehen Sie mich nicht. Phoebe ist ein guter Arzt. Der beste im ganzen Bezirk, wenn Sie mich fragen. Hat auch die Hälfte seiner Bewohner in die Welt befördert.«
Dr. Miller kam mit drei an den Rändern abgestoßenen Tassen auf einem Blechbrett wieder herein. Mit einem einzigen Löffel rührte sie in allen dreien herum.
Der Kaffee sah schauderhaft aus, schmeckte aber gut. Sie warf mir einen freundlichen Blick zu, und ich fühlte die selbstlose Güte unter ihrem barschen Äußeren. Ich war ihrem Typ schon mehrfach in Krankenhäusern begegnet und wußte, daß solche Frauen wenig für Simulanten übrig hatten, für wirklich Kranke aber die reinsten Engel vom Himmel waren.
»Wie geht die Praxis?« erkundigte sie sich.
»Recht ordentlich.« Unter ihrem unnachgiebigen Blick kam ich mir vor wie ein Abc-Schütze.
Sie schüttete ihren Kaffee hinunter. »Lassen Sie sich nur gleich von Anfang an nichts bieten. Beginnen Sie gleich so, wie Sie weiter zu machen gedenken. Lassen Sie Ihre Patienten morgens nur bis halb elf anrufen, wenn sie einen Besuch wünschen, sonst kriegen Sie nie Ruhe und können zehnmal in die gleiche Straße und wieder zurückfahren. Im Sommer nicht so arg, aber im Winter unmöglich! Ist auch nicht gut für die Vertretung. Wenn man während der Dienststunden fünfzehntausend Patienten auf dem Hals hat, ist es für uns alle schwierig, den ganzen Tag für Besuche zu verwenden, die am Vormittag hätten erledigt werden sollen.«
»Danke für den Rat«, sagte ich. »Doch da wir von Besuchen sprechen: ich muß jetzt leider gehen und meine heutigen hinter mich bringen.«
»Warten lassen, ruhig warten lassen«, sagte sie und nahm die leeren Tassen fort, um sie auf den Kaminsims zu stellen.
Sie begleitete uns zur Haustür und klopfte mir beim Hinausgehen aufmunternd auf die Schulter.
»Lassen Sie sich bloß nicht einschüchtern«, riet sie mir, »und vor allem: Lassen Sie sich nichts gefallen.«
»O Phoebe, ich hab’ ja ganz vergessen«, rief Mr. Loveday. »Ich weiß, es ist nicht Montag, aber wir sollten heut nachmittag ein bißchen Golf spielen...«
»Bei diesem Wetter?« Dr. Miller sah zum Himmel auf, von dem es noch immer herabrieselte.
»Auf dem Golfplatz regnet es bekanntlich nie«, lachte Loveday. »Sie kommen doch, was?«
»Ich bin wahrhaftig gutmütig«, erwiderte Phoebe und schloß ohne weiteres Wort die Tür hinter uns.
»Na, kommt sie nun oder kommt sie nicht?« fragte ich.
Loveday faßte mich am Arm. »Natürlich kommt sie. Ein patenter Kerl, diese Frau.«
Die Verstimmung, mit der ich den Tag begonnen hatte, hob sich, und trotz des Regens, Sylvias Karte und Mrs. Littles Kocherei überkam mich ein Hochgefühl. Noch drei Stunden, und ich konnte all meine Kümmernisse vergessen, sobald ich beim Golfspiel war. Das Leben war wunderbar.
SIEBTES KAPITEL
Mrs. Sweeney, die Schulleiterin vom unteren Ende der Straße, saß mir gegenüber im Sprechzimmer und bat mich in entschuldigendem Ton, ihr große Mengen Watte, Gazebinden sowie Betäubungsmittel und Salben für ihren Mann zu verschreiben. Sie war eine Frau in der Mitte der Dreißiger, auf deren Stirn in vier oder fünf Linien die Sorgen der ganzen Welt verzeichnet standen.
»Soviel ich weiß, habe ich Ihren Gatten noch nicht gesehen, Mrs. Sweeney, oder?« fragte ich.
»Ach, ich wollte Sie nicht weiter behelligen, Herr Doktor«, erwiderte sie. »Ich weiß, wieviel Sie zu tun haben, und es handelt sich ja nur um die Pflege. Man hat ihm vor zehn Jahren einen Gehirntumor operiert, aber voriges Jahr hat er wieder zu wachsen angefangen, und man konnte nicht mehr operieren. Es geht ihm langsam immer schlechter - man kann es kaum mit ansehen.«
»Ich möchte mir doch gern selbst ein Bild machen«, sagte ich. »Ich komme heute vormittag bei Ihnen vorbei.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Doktor, sehr freundlich«, dankte mir meine Besucherin.
Als sie gegangen war, sah ich mir Sweeneys Patientenkarte an und stellte fest, daß sein
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