Heirate keinen Arzt
jetzt, nachdem all meine Kranken und nicht so Kranken aus den Ferien zurück schienen, brachte ich von Tag zu Tag längere Stunden im Sprechzimmer zu.
Als ich an diesem Mittwoch mein Patientenbuch rasch überflog, entdeckte ich, daß ich am Sonntag in einer übereilten Anwandlung versprochen hatte, zum Nachtessen zu Mrs. Hume zu kommen. Ich ging in die Küche, um Mrs. Little zu verhindern, daß sie mir eines ihrer köstlichen Spezialgerichte zum Abend koche.
»Es wäre nur Brathering gewesen!« belehrte sie mich, und ich sah ihr an, daß sie darauf brannte zu erfahren, wohin ich zum Essen ginge. Doch ich tat ihr vorläufig nicht den Gefallen und ließ sie zappeln, bis ich ihr vor dem Fortgehen abends die Telefonnummer hinterlassen mußte, unter der ich zu erreichen sein würde. Als ich nach einem vollbesetzten Tag meine Nachmittagssprechstunde beendigt hatte, wäre es mir freilich am liebsten gewesen, Mrs. Littles Bratheringe vorgesetzt zu bekommen und meine Beine am Kamin ausstrecken zu können. Widerstrebend zog ich mich um, legte Stethoskop und Köfferchen mit der heimlichen Hoffnung, frühzeitig abgerufen zu werden, in den Wagen und erschien an Mrs. Humes blankpolierter Türschwelle.
Noch bevor sie mir aufmachte, schlug mir ihr Parfüm schon durch den Briefkastenschlitz entgegen. Es war für meinen leeren Magen fast zuviel. Ich brachte mühsam ein wenig freundliches »Guten Abend« heraus und folgte ihr verdrossen in die Wohndiele.
Hier brannte ein Kaminfeuer, und davor stand auf einem Tischchen eine Flasche meines bevorzugten Sherrys mit zwei geschliffenen Gläsern. Unliebenswürdig brummte ich etwas vor mich hin.
»Ich finde, es wird jetzt abends recht kühl<^, sagte sie, »und diese elektrischen öfeichen schläfern mich ein.« Ich gab ihr innerlich recht, war aber zu ungehobelt, um es zu sagen. Der Sherry erhitzte mir den leeren Magen allzu plötzlich, so daß ich ein fast schmerzendes Hungergefühl empfand. Sie sprach wenig, ließ mich in meinem unhöflichen Schweigen einfach neben sich stehen und ging, als ich mein Sherryglas hinsetzte, mir voran ins Eßzimmer. Es war klein, aber mit Geschmack eingerichtet, mit einem polierten runden Tisch, zwei Gedecken auf Spitzenmatten, den hochroten Kerzen, an denen das Wachs hinuntertropfte. Alles sah aus wie eine Reklame aus einer der Frauenzeitschriften, die meine Mutter sich hielt. Einzig und allein aus dem so überaus weiblichen Anstrich der Aufmachung schloß ich, daß mir sicher kleine raffinierte Speisen mit ebenso raffinierten Saucen vorgesetzt werden würden, so daß ich angenehm überrascht war, als wir mit einer wärmenden, angenehm gehaltvollen Suppe anfingen, in welcher eine Menge kleiner Gemüsewürfel umherschwammen.
»Brunoise«, erklärte sie. »Meine Lieblingssuppe.«
»Im Spital pflegten wir das >Familienbad< zu nennen, aber so gut wie hier schmeckte es nicht.«
Sie lächelte, und wir löffelten in freundlichem Einvernehmen weiter. Meine Befürchtungen legten sich allmählich, als sie mit zwei mannsgroßen Beefsteaks mit Bratkartoffeln und grünem Salat hereinkam. Und als ich endlich Messer und Gabel hinlegte und mir drei Glas Wein hatte schmecken lassen, freute ich mich, daß ich gekommen war. Ich lächelte meiner Gastgeberin zu und sagte, es habe mir wunderbar geschmeckt.
»Das hatte ich auch gehofft«, erwiderte sie und erhob sich, um den Nachtisch zu holen. Er bestand aus kleinen Walderdbeeren mit Maraschino, und nun war mein Wohlbehagen vollkommen.
Zu den hüpfenden Flammen des ersten Kohlenfeuers im Jahr zurückgekehrt, tranken wir einen ausgezeichneten Kognak zu unserem Kaffee. Ich lächelte nachsichtig, als sie bedauerte, keine Zigarren zu haben, und ich fragte mich, ob ich wohl imstande sein würde, mich aus dem Sessel zu hissen, falls ich abgerufen würde. Sie saß mir gegenüber auf einem Kaminschemel. In dem verdämmernden Licht und beim Abglanz der rosigen Flammen hätte sie mir gleichaltrig sein können. Mir erschien sie einfach als eine Frau schlechthin, und zwar nicht als ein übles Exemplar der Gattung. Wohlzufrieden trank ich meinen Kognak. Dies hier war entschieden Bratheringen und lang ausgestreckten Beinen vorzuziehen.
Sie erzählte mir von ihrem Sohn Philipp, und wie immer, wenn sie von ihm sprach, wurde ihre Stimme sanft. Plötzlich sagte sie:
»Ist es nicht merkwürdig, wie manche ihr Leben verpfuschen, während andere alles haben, wie sie sich’s wünschen?«
»Meint man das nicht nur, weil andrer Leute
Weitere Kostenlose Bücher