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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Sie mir, daß alles ein Traum ist.«
    Mrs. Anderson kam herein und stellte sich neben ihren Mann.
    »Ich habe so auf sie aufgepaßt«, sagte sie. »Ich hätte dafür sorgen müssen, daß der Teddy oben war. Was ist denn nur geschehen?« fragte sie. »Hat sie gelitten?« Ich schüttelte den Kopf und erklärte den beiden, daß in solchen Fällen der Tod gewöhnlich augenblicklich eintrete.
    Mr. Anderson nahm seine Frau in die Arme, und trockenen Auges klammerten sie sich aneinander. Ich konnte hier nichts mehr tun, und voll Mitgefühl dachte ich, es sei am besten, sie allein zu lassen. Ich bat sie, mich anzurufen, wenn ich ihnen noch irgendwie von Nutzen sein könne, und ging hinunter.
    Während ich mein Köfferchen in der Diele an mich nahm, warf ich durch die offenstehende Türe einen Blick ins Wohnzimmer. Das einzige Licht dort drinnen kam von einem elektrischen Ofen, und es fiel auf einen halbzerfetzten Teddybären, der auf dem Teppich lag. Behutsam zog ich die Haustür hinter mir zu, indem ich mich fragte, wo in der Welt Gerechtigkeit zu finden sei, und Ärger überkam mich beim Gedanken an Mrs. Hume, die mit ihrem Geschick haderte.
     

SECHZEHNTES KAPITEL
     
    Sprachen waren nie meine starke Seite. In Deutschland konnte ich mir ohne allzu große Schwierigkeit ein Glas Bier beschaffen, mein Französisch war nie viel über »la plume de ma tante« hinausgediehen, und in Italien blieb ich noch immer unsicher vor den Toiletten stehen. Ich hatte mir nie träumen lassen, daß einst der Tag kommen würde, an dem ich mich am liebsten selbst geohrfeigt hätte, weil ich, statt aufzupassen, in meinen Sprachstunden die Zeit damit vergeudet hatte, die Anfangsbuchstaben meines Namens mit den kunstvollsten Schnörkeln auf die Bank zu schnitzen.
    Seit dem Verschwinden englischer Haushaltshilfen wurden die Wohnungen von vielen meiner Patienten von einem Heer elegant aufgemachter junger Damen aus so gut wie sämtlichen Ländern Europas betreut. Manche davon waren Studentinnen, andere nicht; einige verstanden sich auf Hausarbeit, andere nicht. Alle aber kämpften den gleichen Kampf mit den Ungereimtheiten der englischen Sprache. Ich war jetzt allerdings nicht mehr ganz so schlimm daran wie die ersten Male, als ich vor dem Problem stand, eine Patientin behandeln zu müssen, ohne ihre Krankengeschichte aufnehmen zu können. Die einzigen, denen gegenüber ich mich völlig und in jeder Weise geschlagen bekennen mußte, waren die Skandinavierinnen. Das einzige Wort ihrer Sprache, das ich kannte, war »Smörgasbord«, und selbst das konnte ich nicht aussprechen.
    Am Morgen nach dem Nachtessen bei Mrs. Hume erwachte ich in einer meiner weniger glücklichen Stimmungen, und diese besserte sich nicht, als meine erste Patientin ins Sprechzimmer trat. Ich kannte sie noch nicht, und angesichts ihrer strahlenden Jugendlichkeit, ihrer feinen Fußgelenke und ihrer weißen Lederhandschuhe, die aussahen, als seien sie wirklich die richtige Größe, vermutete ich, daß sie der Legion der »Haustöchter« angehöre.
    Nervös saß sie auf der Kante ihres Stuhls.
    »Ihr Name?« fragte ich.
    Sie lächelte zustimmend.
    »Wie ist Ihr Name?«
    Diesmal strahlte sie mich förmlich an.
    »Parlez-vous français?«
    Sie nickte.
    »Nom?«
    »Duvert.«
    »Prénom?«
    »Mariette.«
    »Hübscher Name«, dachte ich.
    »Que voulez-vous?« fragte ich, aus Erfahrung wohl wissend, daß diese Erkundigung eine Flut des reizendsten Französisch entfesseln würde, von dem ich kaum einmal das Allernötigste verstehen könnte.
    »Bedaure, mais je ne comprends pas. Où est le douleur?«
    Ich nahm an, daß sie irgendwo »un douleur« habe, weil das meist so war.
    Sie zeigte auf ihr Ohr, und ich atmete erleichtert auf. Ich nahm meinen Ohrenspiegel zur Hand und trat zu ihr, um mir ihr Ohr anzuschauen. Sie stieß einen kleinen Schrei aus, indem sie auf die andere Seite des Stuhls rutschte, und überschüttete mich sodann mit einem Strom von abwehrenden Worten, deren Quintessenz ich als »Non, non, non« herausschälte. Ich betete, daß die Tür zum Wartezimmer fest geschlossen sein möchte, und beschwor sie auf gut Englisch, lieb zu sein und stillzusitzen.
    »Comment?«
    »Stillsitzen. Tranquille.«
    Sie faltete die Hände auf dem Schoß und blieb mit einem Ausdruck gemarterter Ergebung stillsitzen, wobei sie nicht äbließ, mich argwöhnisch aus den Augenwinkeln zu beobachten.
    Ich faßte ihr Ohrläppchen zwischen Daumen und Zeigefinger und zog es ein wenig nach hinten, um den

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