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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Wiesen uns immer grüner scheinen als die eigenen?«
    »Nicht ganz. Zum Glücklichsein gehören doch immer zwei, und man könnte sich ausrechnen, daß bei den vielen Menschen, die es auf der Welt gibt, wenig Wahrscheinlichkeit bestünde, daß die richtigen einander finden. Allein kann man nie glücklich sein.«
    »Ach, das würde ich nicht sagen«, wandte ich ein.
    »Sie sind jung. Wenn man jung ist, nimmt sich alles in der Welt herrlich aus. Erst wenn die Jahre vorüberziehen und die Runzeln im Gesicht sich einschleichen - erst dann wird einem klar, wie man sein Leben verpfuscht hat. Wenn ich Philipp nicht hätte, würde ich mich wahrscheinlich eines Morgens, nachdem ich mich im Spiegel betrachtet hätte, umbringen.«
    »Mir kommen Sie aber immer recht glücklich vor.«
    Sie lächelte, und ihre Zähne schimmerten weiß.
    »Wer hat einen unglücklichen Menschen gern?« fragte sie und stand auf, um ihr Kleid glattzustreichen.
    Sie zeigte wieder ihr gewohntes fröhliches Gesicht. »Ich will Ihnen mal meine Bilder von Philipp zeigen, und wenn es Sie noch so langweilt!«
    »Im Gegenteil, es wird mir Freude machen«, sagte ich voller Großmut über meinem Kognakglas und fühlte mich mürbe genug, um mir die Photos von so vielen kleinen Buben anzusehen, wie sie herauszusuchen gewillt sein würde.
    Sie setzte sich zu mir, und ich bewunderte Philipp als Säugling, Philipp, wie er seine ersten Schritte machte, Philipp am Meeresstrand auf einem großen Esel aus Stoff. Als wir bei Philipp auf seinem ersten Dreirad angelangt waren, kitzelte ihr blondes Haar, das wunderbar duftete, mein Kinn. Unausgesetzt schwatzend schlug sie hastig die Seiten des Albums um. Als Philipp es zu Rollschuhen und einem reizenden Schulbubenlächeln gebracht hatte, das in dem verschwimmenden Licht eben noch erkennbar war, verschloß ich mich innerlich gegen Sylvia. Gott allein weiß, was geschehen wäre, wenn nicht das schrille Läuten des Telefons all meine Sinne in die Wirklichkeit zurückgerufen hätte. »Laß es läuten«, sagte sie mit weicher Stimme. Ich stand dennoch auf.
    »Ach ja, natürlich. Sie dürfen ja nicht«, sagte sie.
    »Was für ein Hundeleben Sie doch führen«, fügte sie noch hinzu.
    Ich stolperte in meiner Hast, ans Telefon zu gelangen, über den Kaminschemel und horchte auf Mrs. Littles nüchterne Stimme, die mir sagte, ich solle möglichst schnell zu Andersons hinüber - mit dem Kind sei etwas nicht in Ordnung, Mr. Anderson hätte ganz aufgeregt geredet. Ich rief mir die kleine Herzkranke vor die Augen und überlas im Geiste die Notizen, die ich mir über ihren Zustand gemacht hatte.
    »Es tut mir leid, daß ich nicht dableiben kann, um Ihnen für die freundliche Einladung zu danken. Aber ich fürchte, es liegt etwas Ernstes vor.«
    »Machen Sie sich nichts daraus. Ich freue mich, daß Sie gekommen sind. Wir müssen einander besser kennenlernen.«
    Mit dieser doppelsinnigen Bemerkung öffnete sie mir die Tür.
    Während ich durch die dunkelnden Straßen fuhr, dachte ich an das fröhliche Geplauder der kleinen Wendy an jenem Nachmittag, als ich sie zu Sir Monmouth Higgins gebracht hatte, und fragte mich, was ihr wohl zugestoßen sein könnte. Der Anblick Mrs. Andersons, die, als ich ankam, mit dem Kind in ihren Armen auf den untersten Stufen des Treppenhauses saß, gab mir alsbald die Antwort auf meine Frage.
    Hier konnte ich nichts mehr tun. Die Kleine war schon vor zehn Minuten gestorben, und vor mir lag ein trauriges, alles zerstörendes Nichts.
    Ich mußte das Letzte, was sie je von ihrem Kinde im Gedächtnis bewahren würde, aus den Armen der Mutter fast gewaltsam loslösen. Ich trug das tote Kind hinauf in das kleine Schlafzimmer, in dem sich alles fand, was so ein Kindchen sich wünschen konnte. Mr. Anderson folgte mir die Treppe hinauf.
    »Sie hatte ihren Teddybären unten liegenlassen«, sagte er mit dumpfer, tonloser Stimme. »Sie muß wohl aufgewacht sein und sich erinnert haben, daß sie ihn vergessen hatte, und ins Treppenhaus gelaufen sein. Wir hörten sie rufen: >Mami, ich hab’ Teddy unten gelassen<. Wir haben sie sonst ja immer hinuntergetragen, nie selbst gehen lassen, aber wir hörten sie schon heruntertrippeln, und ehe wir noch aus dem Eßzimmer waren, stand sie im Pyjama auf der Diele. Sie lächelte uns bloß noch an, öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, und fiel dann auf den Boden.«
    Er trat an das Bett und streichelte das Haar des Kindes. »Sagen Sie mir, daß ich bloß träume, Herr Doktor! Sagen

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