Heirate keinen Arzt
schnalzte mit der Zunge und sagte: »Da muß etwas geschehen!«
Ich wies sie an, mit dem fürchterlichen Haufen unabgelegter Korrespondenz, der obenauf lag, zu beginnen, und überließ sie dieser Aufgabe, um einige Besuche zu erledigen.
Als ich zurückkam, war der Berg von Papier so gut wie abgetragen, der Rest säuberlich sortiert und ich so beglückt, daß ich Miss Hornby hätte umarmen können - oder doch beinahe!
»Dies hier sind persönliche Briefe, Herr Doktor«, erklärte sie und reichte mir, über den Rand ihrer Brille sehend, eine bunte Auswahl von Zuschriften.
Unter diesen fand ich eine Einladung zum Nachtessen von Sir Monmouth Higgins, die schon vor mehreren Tagen gekommen und meinem Gedächtnis vollkommen entschwunden war; ferner eine »letzte Mahnung« vom Postamt mit der Drohung, mir das Telefon zu sperren (o welches Glück!...), sofern die Rechnung nicht innerhalb einer Woche bezahlt werde (dem Datum nach war heute der vorletzte Tag, der mir hierzu verblieb), und ein Ersuchen des »Klubs der Alten«, unter dessen Mitgliedern ich zahlreiche Patienten hatte, an einer ihrer wöchentlichen Zusammenkünfte einen kurzen Vortrag halten zu wollen.
Ich wußte nicht recht, wie ich mich Sir Monmouth Higgins gegenüber verhalten sollte. Zwar fühlte ich nicht das geringste Verlangen, hinzugehen und mich von seinen häßlichen Entlein beäugen zu lassen, aber anderseits fiel mir keine triftige Ausrede ein, denn er hatte mich gebeten, ihm selbst meinen freien Halbtag zu nennen, damit sie sich danach richten könnten. Nun, es würde ein vergeudeter Abend sein, doch dagegen war nichts zu machen.
»Miss Hornby«, sagte ich und setzte mich würdevoll vor meinen Schreibtisch, »bitte nehmen Sie einen Brief auf.«
Aus ihrer Jackentasche produzierte die neue Sekretärin einen Notizblock und einen zweiten Bleistift, zog ihren Rock hoch, als sei er eine Hose, und ließ sich auf dem Stuhl gegenüber nieder.
»Ich bin bereit, Herr Doktor«, kündigte sie an, und ich räusperte mich ausführlich, um Zeit zu gewinnen. »Sehr geehrter Sir Higgins«, begann ich. »Nein, warten Sie, das ist natürlich falsch.« Der scharfe Bleistift hob sich von den zwei Schnörkeln, die er auf dem Papier gezogen hatte. Geduldig wartete Miss Hornby.
»Sehr geehrter Sir Monmouth Higgins. Nein, das klingt auch nicht sehr gut, oder finden Sie?« fragte ich unsicher, und es wurde mir heiß unter dem Kragen.
»Ist Monmouth sein Vorname?« gab Miss Hornby zurück.
»Ich weiß nicht. Ich habe sonst noch nie gehört, daß jemand mit Vornamen Monmouth hieß.«
Miss Hornby streckte ihre Hand aus. »Zeigen Sie mir doch mal den Brief.«
»Hier bitte, Miss Hornby«, erwiderte ich mit sanfter Bereitwilligkeit und gab ihn ihr.
»Wollen Sie denn bei ihm zu Nacht essen, oder nicht?«
»Jawohl, Miss Hornby, am Achtundzwanzigsten.«
»Schön. Überlassen Sie es nur mir. Ich lege Ihnen nachher die Antwort zur Unterschrift vor.«
»Gern«, sagte ich und überreichte ihr, auf dem vorgezeichneten Weg voranschreitend, den Brief vom Klub der Alten. »Und teilen Sie bitte der Klubleitung mit, daß ich mich sehr freuen werde.«
Dann füllte ich einen Scheck fürs Telefonamt aus und beauftragte Miss Hornby, ihn gleich abzusenden.
Damit überließ der würdige Herr Generaldirektor seine Privatsekretärin der Erfüllung ihrer also angedeuteten Aufgaben und zog sich zurück, um seinen Tee einzunehmen.
ZWANZIGSTES KAPITEL
Die erste Gruppe von Masernkindern war wieder wohlauf, und jetzt zeigten ihre Geschwister den unvermeidlichen Ausschlag. Auf meinen Besuchen von Haus zu Haus trat ich die an meinen Schuhen hängenden Herbstblätter in die schmalen Verbindungswege und hinterließ auf den Treppenstufen feuchte Schmutzspuren.
Schon lange hatte ich vorgehabt, meinen alten Freund und Kollegen Faraday aufzusuchen, aber es hatte sich nie eine Gelegenheit dazu ergeben. Loveday hatte jetzt zuviel zu tun, um für unser gewohntes Golfspiel Zeit zu finden, und so beschloß ich, von Masern und allgemeinem Arbeitsdruck erschöpft, meinen freien Halbtag zu einem Besuch bei Faraday zu verwenden. Er arbeitete jetzt als Oberarzt an einem sehr kleinen, sehr freundlich anmutenden Spital. Bei meiner Ankunft erhielt ich die Auskunft, daß er gerade in Vertretung des Chefs die Poliklinik mache, und so ging ich ins Wohnzimmer der Ärzte, um auf ihn zu warten. Dort wärmten gerade zwei rechts und links vom Feuer sitzende Assistenten in weißen Kitteln ihre auf den Kaminsims
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