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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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ich in meiner Unkenntnis der Dinge gar manchen Fehler begangen. Heute kannte ich mich in allem ziemlich genau aus. Ich weiß noch, wie ich eine alte Frau am Montagmorgen besuchte und jedes Fleckchen und Eckchen in sämtlichen Räumen einschließlich der Küche mit schmutziger Wäsche vollgestopft fand.
    »Ich wußte gar nicht, daß Sie auch Wäsche von anderen annehmen, Mrs. Hayes«, bemerkte ich mit frohgemuter Leutseligkeit. .
    »Tu ich ja gar nicht, Herr Doktor. Aber das Zeug häuft sich nun mal so an, wenn man fünf kleine Kinder hat.«
    Ich mußte ziemlich energisch gegen die allgemeine Unwissenheit und gegen eingewurzelte Vorurteile ankämpfen, doch trotz allen Mühens gelang es mir nicht zu verhindern, daß die guten Frauen ihre Kinder auf das Tropfbrett des Schüttsteins setzten, von wo sie nicht selten herunterfielen, oder kleine Keuchhustenpatienten in überheizten Zimmern einsperrten. Stets drehte ich die Heizöfen ab und riß die Fenster auf, doch wußte ich nur zu gut, daß die Öfen wieder aufgedreht und die Fenster hermetisch verschlossen würden, sobald ich den Rücken kehrte. Wie oft kamen Mütter zu mir, um meinen Rat einzuholen, hörten mir aufmerksam zu und taten dann, nach Hause zurückgekehrt, statt dessen das, was die Großmutter für gut hielt; gossen meine Arznei in den Abguß und griffen zu ihren bevorzugten Hausmitteln; baten mich um meine Meinung und handelten genau entgegengesetzt. Doch mit der Zeit lernte ich meine Pappenheimer immer besser kennen und verlor meine anfängliche Gutgläubigkeit.
    In jedem Haus bekam ich eine Tasse Tee angeboten, da die Bewohnerinnen meist nur zu froh waren, sich selbst eine zu gönnen. Selten nahm ich jedoch an; hätte ich das getan, so wäre ich mit meinen Besuchen überhaupt nie fertig geworden. Doch stärkte ich mich ab und zu gern mit einem Schokoladenbiskuit, ein Hang, der durch Mrs. Collins in der ganzen Nachbarschaft bekanntgeworden war. In der langhingezogenen Siedlung hatte ich mir viele Freunde und ein paar wenige Feinde erworben, und ich hoffte nur immer, diese würden mich nicht eines dunklen Abends etwa verprügeln, wenn ich durch die engen Verbindungswege zwischen den Wohnungen kam.
    Schlag drei Uhr läutete Miss Hornby. Wohl wissend, daß Pünktlichkeit die erste Pflicht jeder guten Sekretärin ist, schmunzelte ich selbstgefällig ob meiner anscheinend glücklichen Wahl.
    Als ich ihr jedoch die Tür öffnete, schwand mein frohes Lächeln. Selbst Mutter hätte all ihre Ängste fahren lassen müssen. Miss Hornby trug eine schwarze Brille, ein streng geschnittenes Kostüm und klobige, braune Schuhe. An ihrer Frisur würde auch die anspruchsvollste Korporalin nichts auszusetzen gefunden haben.
    »Miss Hornby?« begrüßte ich sie und reichte ihr die Hand.
    Als sie sie zur Genüge geschüttelt hatte, steckte ich sie hinter den Rücken, um sie zu reiben, bis die Zirkulation sich wieder eingestellt haben würde.
    »Guten Tag, Herr Doktor«, sagte sie mit einer Stimme, aus der die fleischgewordene Tüchtigkeit sprach. Wir marschierten ins Sprechzimmer, wo Miss Hornby, noch ehe sie sich umgeschaut hatte, ihrer Jackentasche einen gespitzten Bleistift, einen Kugelschreiber, einen Radiergummi und ein Lineal entnahm und sauber nebeneinander auf der Schreibtischplatte aufreihte. Ich kam zu dem Schluß, daß eine einleitende Besprechung sich erübrige, Miss Hornby hatte mich offenbar akzeptiert.
    Ich zeigte ihr die Kästen voller Antworten auf mein Inserat, und es schien sie nicht im geringsten zu beeindrucken, daß unter all den Bewerberinnen sie als Siegerin hervorgegangen war.
    »Die nehme ich mir nachher nach Hause mit«, sagte sie. »Dann kann meine Freundin mir helfen, sie zu beantworten. Wenn ich nur zwei Nachmittage in der Woche hier arbeiten soll, würde ich Monate brauchen, um damit fertig zu werden.«
    »Das können Sie doch nicht alles heimschleppen«, widersprach ich. Sie hatte ja nicht einmal eine Handtasche bei sich.
    »Meine Freundin kommt dann mit dem Auto und kann es mitnehmen, wenn sie von der Arbeit heimkehrt, Herr Doktor, falls Ihnen das recht ist.«
    »Gewiß«, stimmte ich zu und war gespannt, wie sich die andere, autofahrende Hälfte der Partnerschaft präsentieren würde.
    Miss Hornby zwinkerte durch ihre Brille und sagte »ja« und »ja, ja« und »ja, ja, ja«, während ich ihr die verschiedenen Formulare und vorgedruckten Briefumschläge zeigte. Sie fuhr mit ihren unlackierten Nägeln an den Kartothekschubladen entlang,

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