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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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gelegten Füße. Einer von ihnen war eingeschlafen, der andere völlig vertieft in ein Taschenbuch, dessen emporgehaltene Titelseite eine Blondine zeigte, die zugekniffenen
    Auges am Lauf eines Revolvers entlangvisierte. Ein Stich der Sehnsucht nach dem alten Leben durchfuhr mich.
    Der Raum war genauso öde, wie es überall Brauch war, und alles darin - Möbel, Wände, Teppich und Kissen - war braun. Bestimmt konnte es doch nicht dies sein, was ich in meiner eigenen Behausung bis jetzt immer vermißt hatte. Nein, dies war es sicherlich nicht. Es war die gemütliche Atmosphäre gemeinsamer Mahlzeiten, das geschäftige Zusammenwirken in den Krankensälen, das freundliche Wesen von Pflegern, Türhütern und Ambulanzfahrern, der Spaß mit den Schwestern, wenn man sie mit anscheinender Strenge zur Eile antrieb. Sogar die Nachtvisiten hatten im Spital ihre eigene, persönliche Nuance gehabt. Statt mit dem gebieterischen Telefongeklingel, dem man jetzt in den frühen Morgenstunden stattgeben mußte, hatte man es mit der Nachtschwester zu tun gehabt, die in ihrem wallenden Umhang und mit der hochgehobenen Lampe wie die leibhaftige Florence Nightingale dastand. Und dann gab es die verschiedenen Anlässe: Mitternachtskakao im Zimmer der Nachtschwester, Weihnachtsliedersänger in den Krankensälen und natürlich die Weihnachtsaufführungen, die wir als Studenten aufzogen. Ich entsinne mich noch der letzten, bevor Faraday und ich doktoriert hatten. Wie immer waren wir mit einem Fasse Bier erschienen, das wir in einem Rollstuhl von Saal zu Saal beförderten, damit die Künstler keine trockenen Kehlen bekämen. Bis wir unsere letzte Vorstellung hinter uns hatten, waren wir vollständig betrunken, und unsere Rollenmanuskripte waren unlesbar geworden, allein wir ernteten bedeutend mehr Beifall als zuvor in nüchternem Zustand.
    Während ich ins Feuer starrte, ohne doch von dessen ferner Wärme etwas zu verspüren, verfiel ich in jenen Zustand der Träumerei, der einem Schlummer voranzugehen pflegt, als ich durch einen Hieb auf die Schulter ins volle Bewußtsein zurückgerissen wurde.
    »Was machst denn du hier, alter Knabe?« fragte Faraday, und unter Gähnen hißte ich mich aus meinem Stuhl.
    Faraday musterte mich. »Großer Gott!« sagte er mit einem Blick auf meinen steifen Kragen und den neuen Anzug, »ein hundsgemeiner Plutokrat! Wenn man das aus der Allgemeinpraxis herausschinden kann, wozu vergeude ich dann hier meine Zeit und arbeite mir die Finger bis auf die Knochen ab, um das bare Leben zu fristen?« Er befingerte meinen Rockkragen. »Ist das dein Anzug, oder hast du ihn dir ausgeliehen, um mir zu imponieren?«
    »Keins von beiden«, antwortete ich. »Den hab’ ich von einem chronischen Alkoholiker gestohlen, weil ich wußte, er würde ihn doch nicht mehr brauchen.« Es war mir ein leichtes, in den altgewohnten, infantilen Krankenhaushumor zurückzufallen.
    »Wohlgetan!« gab Faraday zurück. »Abgesehen von ein paar Runzeln bist du der alte geblieben.«
    Faraday selbst sah haargenau wie immer aus. Er hatte den gleichen hungrigen, eingesunkenen Blick, den er schon mit achtzehn gehabt hatte, und das alte Äußere eines impertinenten Lehrbuben. Außer bei der Arbeit sagte er nie ein ernsthaftes Wort, und es war einem fast unmöglich, zu glauben, daß er einen ganz außergewöhnlichen erstklassigen Kopf besaß. Durch seine Examina hatte er sich als der weitaus jüngste unter allen Studenten stets mühelos hindurchgelächelt, er befaßte sich mit anerkennenswerten Originalforschungen und wurde von allen, die ihn wirklich kannten, als künftiger großer Spezialist betrachtet.
    Das Mädchen kam mit einer großen braunen Teekanne, einem ebenso großen und braunen Topf mit heißem Wasser und zwei Tellern Kuchen herein. Die anderen zwei Assistenten rafften sich aus ihren Sesseln am Kamin auf, und Faraday machte uns bekannt. Dr. Millway nahm sein Buch mit an den Tisch, und wir setzten uns zum Tee.
    Ich hatte gerade ein großes Stück Cake in den Mund gesteckt, als Faraday sagte:
    »Wie ich höre, wirst du bald in den heiligen Ehestand treten.«
    In meinem Erstaunen atmete ich tief ein und verschluckte mich so heftig an einer Rosine, daß es zu ihrer Entfernung aus meiner Luftröhre eines tüchtigen Schlags auf meinen Rücken bedurfte, wozu sich Dr. Millway von seinem Buche losriß.
    »Worüber regst du dich denn so auf?« fragte Faraday.
    »Ich rege mich nicht auf«, erwiderte ich gereizt, indem ich mir die tränenden Augen

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