Heirate keinen Arzt
verdiene, keine seiner vier Schönen auch nur ihren Bedarf an Sicherheitsnadeln bestreiten könnte. Ich glaube, er ist demnächst so weit, daß er sie als Weihnachtsgeschenke fortgibt.«
»Sind sie denn so arg?«
»Also ich würde mein Geschenk nicht mal auspacken, und dabei bin ich, wie du weißt, doch gar nicht so ungeheuer anspruchsvoll!«
So wenig verlockend bisher schon die Aussicht auf die Abendgesellschaft bei dem berühmten ,Arzt gewesen war, jetzt stieg mein Widerwille dagegen zu ungeahnten Ausmaßen an.
»Nur nicht gleich verzagt, alter Knabe«, sagte Faraday tröstend. »Was Gutes zu trinken gibt es dort auf alle Fälle, und die Mädchen sind gar nicht so schlimm, solange du dich hütest, sie beim Essen anzusehen.«
Es klopfte an der Türe, und eine kleine rothaarige Schwester steckte den Kopf herein.
»Oh, bitte um Entschuldigung«, sagte sie und sah zu Faraday hinüber, »aber Schwester Barker läßt fragen, ob Sie nicht gleich mal nach Washington ’rüber kommen könnten.«
»Sagen Sie Schwester Barker von mir -«, begann Faraday.
»Ach bitte, Herr Doktor«, unterbrach ihn die Schwester ganz verängstigt, »ich werde sicher schrecklich ausgeschimpft, wenn ich ohne Sie zurückkomme. Schwester Barker ist so schlechter Laune.«
Faraday erhob sich.
»Schon gut, Mädchen, ich komme gleich.«
»Eine von deinen Lieblingen, wie?« fragte ich, als sie aus der Stube war.
»Nicht gerade, aber wenn ich sie nicht gelegentlich ein bißchen aufmuntere, fürchte ich, daß sie in Barkers Verlies demnächst mal Selbstmord begeht.«
»Immer noch unwiderstehlich, sehe ich.«
»Leider, leider«, nickte Faraday, indem er in den Spiegel sah und sich mit den Fingern durchs Haar fuhr. »Selber kann ich ja nicht entdecken, was sie an mir finden.«
»Deine Bescheidenheit überwältigt sie eben.«
»Muß wohl so sein. Doch wie dem auch sei, mein Guter, die Pflicht in Gestalt von Schwester Barker ruft. Wenn ich dich also vor dem Fest nicht mehr sehe, treffen wir uns nachher. Du weißt doch, wie du hier zum Ausgang kommst, wie?«
»Natürlich. Ich bleibe also bis Weihnachten in Verbindung mit dir.«
»Alles Gute«, rief Faraday mir von der Schwelle aus noch zu. »Und sag bitte -« Er blieb vor einer Krankensaaltüre stehen.
»Ja, was?«
»Recht schöne Grüße an die Witwe!«
EINUNZWANZIGSTES KAPITEL
Miss Hornby erwies sich, sofern eine so weibliche Bezeichnung sich auf sie anwenden läßt, als ein wahrer Schatz. Im Handumdrehen hatte sie alles, was die Praxis betraf, erfaßt und nahm die Korrespondenz mit dem Gesundheitsministerium resolut in die Hand. Ehe sie kam, hatte ich mich nie weiter darum bekümmert, ob die Nummern der angeblich auf meiner Liste stehenden Patienten mit der Nummer auf ihren Kartothekkarten übereinstimmten. Auch andere Dinge hatte ich sehr nachlässig betrieben, so die Ausfüllung der Formulare für Mutterschaftsbeihilfen, das Absenden der Impfmeldungen und dergleichen, was alles, wenn es ordnungsgemäß ausgefüllt und verschickt wurde, allwöchentlich ein ganz ansehnliches Sümmchen eintrug. Miss Hornby amortisierte sich sozusagen selbst. Rücksichtslos beseitigte sie all die buntfarbigen pharmazeutischen Reklamen, die ich mich nie entschließen konnte wegzuwerfen, verfolgte mit Adleraugen meine Besuche bei Privatpatienten und verschickte Rechnungen, sobald sie fällig wurden. Desgleichen machte sie es sich zur Pflicht, mir mit dem Scheckbuch vor dem Gesicht herumzufuchteln, damit ich meine Rechnungen pünktlich bezahlte. Sie verwandelte das unbeschreibliche Chaos in und auf meinem Schreibtisch in wohlgeordnete Fächer und Schubladen. Wo ich mich zuvor durch alte Zeitungen, einzelne Fotos, zerknitterte ausländische Banknoten, aufgerollte Gazebinden, vorvorjährige Notizbücher, stumpfe Injektionsnadeln, erschöpfte Batterien und verfallene grellbunte Gutscheine für Seifenpulver hatte hindurchwühlen müssen, um, wenn das Glück mir wohlwollte, zu finden, was ich suchte, lagen jetzt all meine Briefpapiere und Formulare in bestimmten Fächern. Die arme Miss Hornby muß es schwer mit mir gehabt haben, aber nie beklagte sich die großmütige Seele. Stets war alles tadellos aufgeräumt, wenn sie abends fortging, und jedesmal, wenn sie ankam, fand irgendein Zettel oder eine Mahnung an etwas, das ich nicht vergessen durfte, den Weg auf mein Pult. Sie machte keine Worte, sondern brachte gewissenhaft mit ihren festen und doch gelenkigen Fingern alles wieder in Ordnung. Für
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