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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Höhe.
    »Du hattest Spuren von Lippenstift auf dem Hals«1, sagte sie.
    Wir schwiegen, während ich das Taschentuch wieder zusammenlegte. Ich wußte nicht, sollte ich lachen oder zornig werden.
    »Falls es etwas nützen kann«, meinte Sylvia, »dann laß dir sagen, daß es mich eifersüchtig gemacht hat.«
    »Glaubst du, daß es sonstwer bemerkt hat?«
    »Ich denke nicht, daß sonstwer daran interessiert war.«
    »Und du?«
    »Wir sollten zu den anderen zurück«, sagte sie. »Wilfred wird nicht verstehen, wo ich bleibe.«
    Ich vermochte mich gerade noch davor zurückzuhalten, laut herauszusagen, was ich Wilfred anwünschte. »Nun gut«, antwortete ich, denn was anderes war noch zu sagen, ohne daß ich mich lächerlich machte? »Gehen wir also.«'
    Im Salon waren alle emsig damit beschäftigt, ihre eigenen Stimmen auf Tonband aufzunehmen und wieder abzuspielen, und so verbrachten wir den Rest des Abends. Ich selbst war, nachdem ich einiges getrunken und mit Sylvia gesprochen hatte, ganz aufgeräumt und plauderte so liebenswürdig mit den drei Mädchen und ihrer Mutter, daß ich bei der Verabschiedung von Sir Monmouth nur hoffen konnte, er werde meinen herzlichen Dank für den Abend nicht als Verliebtheit in eine seiner Töchter deuten.
    Glücklich in dem Gedanken, endlich wieder einmal einige Worte mit meiner Sylvia gewechselt zu haben, ging ich aus dem warmen Haus in die kalte Nacht hinaus.
     

ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
     
    Alles, was noch von der Herrlichkeit des Herbstes übriggeblieben war, die ockergelben Farbtöne und terrakottabraunen Blätter, war nun von den Besen der Straßenkehrer zu feuchtklebigen, unansehnlichen Haufen zusammengefegt worden. Ich schaffte mir einen Überzieher und ein Paar hohe Stiefel für die Tage an, wenn Gartenwege und Dachrinnen Regenwasser führten, und versah den Kühler meines Wagens mit Gefrierschutzlösung. Schon waren ein paar nasse Schneeflocken gefallen, und in den Köpfen der Leute und den Schaufenstern der Läden nahm das nahende Weihnachtsfest den Hauptplatz ein. Selbst Mrs. Little brummte etwas von »Plumpuddings«, und mir schauerte bei der Vorstellung, wie diese schmecken würden. Meine Sprechstunden waren morgens wie abends überfüllt, und die Patienten drängten sich um den elektrischen Ofen.
    Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße lebte Mr. Sweeney sein halbes Leben weiter, und seine Frau pflegte ihn wie immer mit nie versagender Liebe und Treue, bis sie eines Tages mit Tränen in den Augen bei mir erschien und mich bat, rasch zu kommen, da sie glaube, das Ende stehe bevor. Als ich in das Schlafzimmer trat, das während der letzten zwei Jahre sein Kerker gewesen war, sah es allerdings so aus, als ob sie recht hätte. Sweeney schien nicht mehr zu atmen, und sein Gesicht zeigte die sprichwörtliche Blässe des Todes. Während ich ihn untersuchte, betete Mrs. Sweeney neben dem Bett.
    »O bitte, laß ihn nicht sterben, mein Gott«, hörte ich sie flüstern.
    Zu meiner Überraschung stellte ich fest, daß sein Herz noch schlug, und nachdem ich ihm eine Spritze gemacht, kehrte er in seinen gewohnten Zustand zurück. Seine Frau war glückselig darüber und dankte mir ein ums andere Mal.
    »Lange kann er nicht mehr so weiterleben«, sagte ich ihr, ganz erschrocken von der Heftigkeit ihres Wunsches, daß er weiterlebe.
    Mrs. Sweeney hatte ihre Tränen getrocknet und sich wieder beruhigt.
    »Sie halten mich sicher für dumm, Herr Doktor«, sagte sie, »weil ich möchte, daß er selbst in diesem Zustand am Leben bleibt. Aber solange er noch da ist, selbst so, gibt es immer noch glückliche Augenblicke für uns beide. Ich rede zu ihm, und wenn ich auch nicht glaube, daß er mich wirklich versteht, bin ich ihm doch irgendwie nahe. Es ist schwer erklärbar, aber es ist so.«
    Es mag schwer zu erklären gewesen sein, und die meisten Menschen hätten Mrs. Sweeney kaum verstanden.
    Obwohl ihr Mann jetzt nichts mehr als eine Last für sie war, und dazu eine fast untragbar schwere Last, fand sie kein Glück in dem Gedanken, sie niederzulegen. Sie war eines der Beispiele ganz außergewöhnlichen Glaubens, wie sie mir mehrfach begegnet sind.
     
    Viele der von mir besuchten Häuser, ob sie nun für sich oder in Reihen standen, Ziegel- oder Zementmauern, graue oder rote Dächer hatten, beherbergten glückliche Familien, die ein normales und meist frohes und befriedigendes Leben führten. Nur hier und da gab es plötzlich, wie wenn unerwartet die Trockenfäule auftritt, hinter

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