Heirate keinen Arzt
wirklich zu genießen, weil ich immerfort denken mußte, wie wunderschön Sylvia doch war, und als was für ein widerwärtiger Dummkopf sich Wilfred auch bei näherer Bekanntschaft erwies.
Als wir mit dem ausgezeichneten Nachtisch - einer Mischung von Ananas und Kognak - fertig waren, erhob sich alles. Ich wandte mich nach der Türe, in der Hoffnung, Sylvia wenigstens auf wenige Minuten allein sprechen zu können, als ich am Ärmel gezogen wurde.
»Es gibt ja noch Porto, alter Freund«, flüsterte Wilfred mir zu. »Den sollten Sie sich doch nicht entgehen lassen.«
Widerstrebend setzte ich mich wieder auf meinen Stuhl, und Wilfred hielt den Damen die Türe auf. Ich hatte nicht geglaubt, daß die traditionelle Sitte, der zufolge sich nach einem Diner Damen und Herren auf eine Weile trennten, noch beobachtet würde, und rückte ungern auf einen Wink Sir Monmouths an dessen Seite. Der Portwein war gut, die Zigarre erstklassig und die Unterhaltung zweideutig. Sir Monmouth selbst erzählte in seiner leisen Gentlemanstimme zwei Witze, wie ich sie kasernenhafter kaum je gehört hatte, und der Bruchbandfabrikant übertraf ihn noch. Alle schienen sehr beschlagen in dieser Art männlicher Unterhaltung, und ich fühlte mich wie die Unschuld vom Lande dabei. Sir Monmouth stellte mir andauernd alle möglichen Fragen, um mich ins Gespräch zu ziehen, doch da er nie die Antwort abwartete, saß ich die meiste Zeit da, ohne den Mund aufzutun. Wilfred mußte wohl gemerkt haben, daß ich sehnsüchtig darauf wartete, zu den Damen im Salon zurückzukehren, weil er jedesmal, wenn Sir Monmouth sich anschickte, aufzustehen, ein neues und gänzlich sinnloses Thema aufs Tapet brachte. Wahrscheinlich hätte ich ihm einen Fußtritt versetzt, wenn er mir näher gesessen hätte.
Als wir endlich in den Salon zurückkehrten, saß Sylvia zwischen zweien der Haustöchter auf dem Sofa. Es war ganz unmöglich, zu ihr zu gelangen, und in ihrer lieben Art begriff sie sofort, wie es in mir aussah. Als Sir Monmouth mich fragte, ob ich irgendwelches Interesse für Malerei habe, sah ich, wie Sylvia rasch nickte.
»Ja«, antwortete ich gespannt. »Warum?«
»Nun, Frank Meredith - Sie wissen, der Bursche, der immer die Mitglieder der königlichen Familie porträtiert - hat kürzlich Mildred für mein Arbeitszimmer gemalt. Würde es Sie interessieren, das Bild einmal anzuschauen?«
»Oh, das würde ich sehr gern«, sagte ich und folgte ihm aus dem Zimmer.
Ich hatte gerade alles geäußert, was mir über das fleischige, rosaweiße Abbild der Lady Higgins über dem Schreibtisch des in Bücherwände gekleideten Arbeitszimmers einfallen wollte, als Sylvia, kühl wie ein Sommermorgen, in ihrem blaßgrünen Spitzenkleid hereingeschwebt kam.
»Könnten Sie nicht bitte kommen und Wilfred zeigen, wie man den Tonbandapparat bedient?« fragte sie Sir Monmouth mit großen Unschuldsaugen. »Er möchte so schrecklich gern mal seine eigene Stimme hören.«
Sir Monmouth rieb sich die Hände.
»Aber gewiß, meine Liebe. Mir macht das neue Spielzeug selbst einen Riesenspaß.«
Er wandte sich zu mir: »Kommen Sie mit?«
»Ich wollte mir -gern den Hintergrund des Bildes noch etwas genauer betrachten«, entgegnete ich, ohne Sylvia anzusehen.
»Aber bitte sehr, bitte sehr.« Und er entschwand durch die Tür.
Kaum war er draußen, als ich Sylvia in die Arme schließen und mit ihr durchs Zimmer wirbeln wollte, bis mir einfiel, daß sie mir ja nicht mehr gehörte.
»Ich konnte es fast nicht mehr aushalten, bis ich mit dir reden konnte, Sylvia«, sagte ich und wünschte, sie sähe nicht ganz so herzbrechend schön aus.
»Ich wollte auch gern mit dir reden«, sagte sie.
»Immer schon wollte ich dich um Verzeihung bitten, weil ich so häßlich zu dir war, damals, als ihr zum Tee gekommen seid. Du weißt doch, daß ich es nicht so meinte, nicht wahr! Ich möchte dir ja für die Welt nicht weh tun, und ich hoffe, daß du mit Wilfred sehr glücklich wirst.«
»Danke, Lieber. Ja, es hat mir ein bißchen weh getan, aber ich verstehe auch, wie dir zumute ist. Du hättest dich gar nicht zu entschuldigen brauchen.«
»Ich wollte aber, Sylvia.«
»Wirklich?«
»Worüber wolltest du denn gern mit mir reden?«
Sie antwortete mir nicht, sondern trat an mich heran und zog mir das frische Taschentuch aus der Brusttasche. Indem sie mir eine Hand um den Kopf legte, rieb sie mit der anderen an einer Stelle dicht unter meinem Ohr herum und hielt dann das Tuch zur Besichtigung in die
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