Heiratsmarkt
an die Geschicklichkeit, mit der er Jessamy behandelte. Es war unmöglich, in alledem irgendein niedriges Motiv zu entdecken. Er hatte sich benommen, als sei er wirklich ihr Vormund, sodass ihn Frederica unvernünftigerweise schließlich als jemanden betrachtete, an den sie sich in jeder Schwierigkeit wenden konnte. Das ärgerte sie, denn sie hatte früher nie Unterstützung oder Rat gesucht, und sie ahnte klugerweise, dass sie, wollte sie ihre eigene Stärke aufrechterhalten, es sich nicht zur Gewohnheit machen durfte, sich auf die seine zu verlassen. Aus irgendeinem unbekannten Grund machte es ihm derzeit Spaß, mit den Merrivilles Freundschaft zu pflegen. Es konnte ihm aber jederzeit langweilig werden, und er würde sie dann ebenso leicht mit einem Achselzucken abtun, wie er sie adoptiert hatte. Denn was, fragte sich Frederica, wusste sie schließlich schon von ihm? Nicht viel außer dem, was der Klatsch erzählte; ja nicht einmal, ob er sie mehr als nur gernhatte!
Manchmal war sie zu der Annahme ermutigt worden, dass er es tat; doch dann wieder, wenn er den halben Abend bei irgendeiner Gesellschaft verstreichen ließ, bevor er herbeigeschlendert kam, um einige Worte mit ihr zu wechseln, war sie überzeugt, sie sei ihm gleichgültig. Was aller Wahrscheinlichkeit nach, wenn man die Sache leidenschaftslos überdachte, der Wahrheit entsprach; denn wenn ihn schon die wirklich blendenden Schönheiten, die sich durchaus bereit zeigten, sich von ihm den Hof machen zu lassen, langweilten - was sie offensichtlich taten -, wie viel mehr musste ihn eine Base vom Land langweilen, die gerade nur erträglich gut aussah und schon lange die erste Blüte ihrer Jugend hinter sich hatte? Ja, wenn sie die schöne Mrs. Parracombe betrachtete oder die schicke Witwe, die man allgemein für seinen neuesten Flirt hielt, konnte sie nur überrascht sein, dass er sich auch weiterhin für ihre Angelegenheiten interessierte. Hätte man ihr erzählt, dass sie für ihn sehr schnell zu einer Besessenheit wurde, hätte sie das niemals geglaubt.
17. KAPITEL
Der Marquis war tatsächlich ungewöhnlich umsichtig und sah sich vor, den Klatschmäulern keine Nahrung zu liefern. Er war sich seines schlechten Rufs wohl bewusst, der skandalösen Gerüchte, die sich sofort an das geringste Zeichen, dass er eine Vorliebe für Miss Merriville gefasst hatte, heften würden. Daher bemühte er sich außerordentlich, sie vor neiderfüllten oder auch nur boshaften Zungen abzuschirmen. Um die Neugier derjenigen Leute zu stillen, die sich fragten, warum er wohl so viele Gastgeberinnen beglückte, indem er bei ihren Bällen, Teegesellschaften und Unterhaltungen erschien, etablierte er die blendend schöne Mrs. Ilford als seinen Flirt, wohl wissend, dass die Reize der temperamentvollen Witwe genauso groß wie ihre Klugheit waren: Denn ein so vollendeter Lebemann der Marquis auch sein mochte - Herzen brechen wollte er durchaus nicht. Arglose Mädchen waren noch nie Gegenstand seiner Galanterie gewesen. Er gönnte der Betreffenden einen kurzen Flirt auf Tod und Leben unter den neidischen oder auch entsetzten Augen ihrer Zeitgenossinnen, doch schon bei der nächsten Begegnung konnte er sich nicht einmal mehr an ihren Namen erinnern. Diese erbarmungslose Taktik hatte ihm den Ruf eingetragen, dass er gefährlich sei, und hatte vorsichtige Eltern veranlasst, ihre Töchter davor zu warnen, seine Aufmerksamkeiten zu ermutigen. Dieser Ruf hatte selbst seinen engsten Freund veranlasst, ihm Vorhaltungen zu machen. Aber als Mr. Moreton den Marquis der Grausamkeit beschuldigte, entlockte er diesem nichts als ein verächtliches Lächeln und die Hoffnung, das Opfer habe seine Lehre daraus gezogen. Von der Stunde seines gesellschaftlichen Debüts an war der Marquis eine begehrte Beute ehelicher Ambitionen gewesen, hatte es hingegen im Laufe der Jahre nicht gelernt, diese Tatsache gleichmütig hinzunehmen, die Pläne heiratssüchtiger Mamas zu dulden oder sich über die Köder zu amüsieren, die von deren Töchtern nach ihm ausgeworfen wurden. Von dem Tag an, da er entdeckt hatte, dass seine erste Liebe ebenso bereit gewesen wäre, einen Buckligen zu heiraten, wenn dieser nur den Rang und das Vermögen des Marquis besessen hätte, war er in seinem Zynismus ständig härter geworden, bis er im Alter von 37 Jahren, als sich Frederica in sein Leben gedrängt hatte, genauso wenig die Absicht hegte, zu heiraten, wie sich in der Themse zu ertränken.
Doch Frederica hatte die ruhigen
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