Heiratsmarkt
erraten, was für eine unruhige Nacht Sie verbracht haben müssen." Sie las ein Zögern in seinem Gesicht und fügte leise hinzu: „Fürchten Sie nicht, die Karten auf den Tisch zu legen!
Ich bin keine Närrin und nicht leicht aus der Fassung zu bringen." Sie lächelte schwach. „Und es ist auch nicht das erste Mal, dass einer meiner Brüder krank ist oder sein Möglichstes getan hat, sich umzubringen. Also sagen Sie es mir."
„Elcot spricht von rheumatischem Fieber", erklärte er kurz.
Sic nickte. „Das habe ich befürchtet. Meine Mutter hatte es auch einmal. Sie erholte sich nachher nie ganz, es hat ihr Herz angegriffen. Ich war damals noch ein Kind, kann mich aber erinnern, wie schwer krank sie war - schlimmer, glaube ich, als es Felix ist. Doch unser Arzt war nicht geschickt, und sie hatte keine sorgfältige Pflege. Ich kann mich erinnern, dass sie sich aus dem Bett schleppte, weil sie das Baby schreien hörte - das war natürlich Felix. Nun, Felix wird ja nicht aus dem Bett steigen. Er ist robuster, als es meine Mutter je war, und die medizinische Wissenschaft ist fortgeschrittener. Ich versichere Ihnen, ich gedenke nicht zu verzweifeln, also brauchen Sie mich nicht so anzuschauen, als fürchteten Sie, dass Sie mich jeden Augenblick aus einer Ohnmacht erwecken müssten!"
„Das befürchte ich bestimmt nicht - dazu sind Sie viel zu stark. Wenn ich ernst dreinschaue, dann deshalb, weil ich fürchte, dass Sie eine sorgenvolle und auch anstrengende Zeit vor sich haben. Ich hoffe nur, dass Sie sich nicht ganz aufreiben."
„Danke! Aber ich bin kein so schwaches Geschöpf. Ich werde ja auch Jessamy zur Hilfe hier haben - vielleicht schon morgen, falls Harry, wie wir glauben, heute Abend nach London zurückkehrt. Der gute Jessamy! Er wäre heute so gern mitgekommen, hat aber kein Wort davon gesagt. Er hat sofort verstanden, wie ungehörig es wäre, die arme Charis nur in Gesellschaft der Dienerschaft zurückzulassen, und er sagte, er würde so lange in der Upper Wimpole Street bleiben, bis Harry käme, um ihn von dieser Pflicht abzulösen. Er hat vor, mit der Postkutsche nach Watford zu reisen, und ich gestehe, ich werde froh sein, ihn bei mir zu haben. Ich kann ihm vertrauen, dass er bei Felix Wache hält, wenn er schläft, sodass ich mich für eine Weile zur Ruhe legen kann. Sic sehen, Vetter, wie vernünftig ich bin!"
„Das habe ich nie bezweifelt. Darf ich fragen, welche Rolle Miss Winsham dabei spielt?"
„Eine sehr kleine", gestand sie. „Mein Onkel starb nämlich gestern Abend."
„Mein Beileid. Ich hätte angenommen, dass dies Miss Winsham von der ihrer Meinung nach dringendsten Pflicht entbindet, dürfte mich aber irren."
„Ja, weil Tante Amelia jetzt niedergeschmettert ist und hysterisch wird, sowie Tante Seraphina sich von ihrer Seite rührt. Sie hat Krämpfe, Wallungen und ... o Himmel, ich sollte nicht so reden! Ich selbst bin so wenig empfindsam, dass es mir sehr schwerfällt, mit Leuten wie Tante Amelia Mitleid zu haben. Ich neige viel eher zu ... nein!"
„Ich weiß genau, wozu Sie viel eher neigen", sagte er lächelnd. „Ich habe gesehen, wie Sie in einer ähnlichen Lage mit Charis fertig wurden!"
„Das kann man nicht vergleichen!", antwortete sie. „Die arme Charis hatte einen schweren Schock erlitten. Sie hatte jede denkbare Entschuldigung. Aber der Tod meines Onkels wurde seit Wochen erwartet - und auf jeden Fall würde ich meine Tante niemals ohrfeigen!"
„So gern Sie es auch tun möchten", stimmte er ihr zu.
„Aber ganz bestimmt nicht!", beharrte sie mit einer Strenge, die das Lachen in ihren Augen Lügen strafte. „Sie sind - das heißt, wenn ich nicht so tief in Ihrer Schuld stünde, würde ich sagen ..."
„Dass ich der abscheulichste Mensch unter Gottes Sonne bin?"
„Grässlich war das Wort, an das ich gedacht habe!", erwiderte sie sofort. Dann wurden ihre Augen sanfter. „Nein, das sollte ich nicht. Zu uns sind Sie immer gütig gewesen, so abscheulich Sie auch sonst sein mögen. Nun, im Ernst, Sir! Der Fall ist nicht so schlimm, wie Sie meinen. Tante Seraphina hat versprochen, auf Charis aufzupassen, hat aber das Gefühl, dass ihre Schwester größeren Anspruch auf sie hat. Nun ... nun, vermutlich hätte ich das gleiche Gefühl, also kann ich ihr kaum einen Vorwurf machen. Sie glaubt, dass es ohnehin höchst ungehörig von Charis wäre, derzeit Gesellschaften zu besuchen, und dass sie ja Harry zu ihrer Begleitung auf Spaziergängen oder Fahrten haben wird. Da
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