Heiratsmarkt
bitte, geh!"
„O sicher!", antwortete Harry. „Das will ich gern tun!"
Damit stelzte er aus dem Zimmer, aufgebracht, gekränkt und mit einem brennenden Gefühl von Ungerechtigkeit. In Fredericas haltlosen Beschuldigungen steckte gerade genügend Wahrheit, dass sich sein Gewissen rührte, und das machte ihn noch viel wütender, als wenn sie ihm unrecht getan hätte. Wessen Schuld war es denn, dass er seine Verantwortung nicht übernommen hatte? Fredericas natürlich. Hätte das vielleicht einen Staub aufgewirbelt, wenn er versucht hätte, sich in ihre Lenkung der Familie einzumischen! Wann hatte sie ihn je um Hilfe gebeten? Nie! Jedenfalls nie, bis zu ihrer Bitte, sich während ihrer Abwesenheit von London um Charis zu kümmern. Hatte er es vielleicht nicht getan? Jawohl, und ohne ein Wort der Klage, obwohl er gezwungen war, sich alle die Unterhaltungen zu versagen, auf die er sich gefreut hatte! War er vielleicht in den letzten paar Wochen in London geblieben, um sich selbst eine Freude zu machen? Nein, bei Gott nicht! Er hatte das auf ihre Bitte hin getan. Wäre es nach ihm gegangen, dann wäre er sofort mit der Post zu Monk's Farm gefahren.
So argumentierte er noch eine Zeit lang mit sich, stellte sich Fragen und fand auch gleich unwiderlegbare Antworten darauf, die ihm aber trotzdem wenig Genugtuung verschafften. Sein Gefühl, schlecht behandelt worden zu sein, wuchs. Und als ihn gleich darauf Charis aufsuchte und anflehte, ihr zu helfen, war er genau in der richtigen Stimmung, sich jeder Unternehmung zu verschreiben, die Frederica ärgern konnte.
Angesichts ihrer erzwungenen und möglicherweise unmittelbar bevorstehenden Einkerkerung in Alver hielt es Charis für lebenswichtig, sich mit Endymion zu beraten: Würde ihr liebster Harry ihm eine Botschaft überbringen? Und fiel ihm irgendein ehrbares Rendezvous ein?
Aber sicherlich! Er würde Endymion noch am selben Abend besuchen; was ein ehrbares Rendezvous betraf, war nichts leichter als das! Sie würden sich in den Kensington Gardens treffen, und er persönlich würde Charis hinbegleiten.
„O Harry, ich wusste ja, ich kann mich auf dich verlassen!", hauchte Charis.
Das war Balsam für seine verletzten Gefühle. Wenigstens eine seiner Schwestern wusste ihn zu schätzen! Es war zwar ein Jammer, dass Frederica nicht anwesend war, um dieses Glaubensbekenntnis zu hören; jedenfalls aber würde man sie sehr bald erkennen lassen, dass er nicht der verächtliche Tropf war, für den sie ihn anscheinend hielt, sondern eine Kraft, mit der man rechnen musste.
Als sie jedoch knapp vor dem Abendessen in den Salon kam, war ein Großteil seiner Erbitterung geschwunden. Er war allein, und sie ging geradewegs auf ihn zu, legte ihm die Arme um den Hals, küsste ihn auf die Wange und sagte: „O Harry! Du hast ja eine solche Beißzange zur Schwester! Verzeih mir!"
Das Gefühl der Beleidigung war zwar noch stark, schmolz aber rasch dahin. Dennoch juckte es ihn, prompt zu sagen: „Also, ich muss schon sagen, Freddy, ich glaube, das war ziemlich ungerecht von dir!"
Er war bereit, ihr Punkt für Punkt zu beweisen, so wie er es sich selbst bewiesen hatte, dass sie ihn völlig falsch beurteilt hatte; und hätte sie es zugelassen, hätte er sich sehr bald in Hitze geredet. Doch das tat sie nicht. Sie hatte bereits zwei aufregende Szenen ertragen, sie war müde, sie hatte Kopfschmerzen, sie wollte nichts als schlafen und nur ja in keine weitere Debatte verwickelt werden. Also sagte sie: „Ja, mein Lieber, ich weiß das. Reden wir von etwas anderem!"
„Das ist alles sehr schön, aber du warst es, die das Thema von Endymion und Charis aufs Tapet gebracht hat, und ..."
„Um Himmels willen, Harry, nein!", rief sie aus. „Ich kann und will nicht mit dir streiten!"
Er las daraus die Verachtung der älteren Schwester für seine Meinung, wurde sofort steif und sagte mit eisiger Höflichkeit: „Wie du wünschst!"
Sie wusste, dass sie ihn verletzt hatte und ihn beruhigen sollte, sie wusste aber auch, dass dies Takt und Geduld erfordern würde, zwei Tugenden, die sie verlassen hatten. Also lächelte sie ihn bloß müde an und entschuldigte sich vor sich selbst mit der Überlegung, dass Harrys Anfälle schlechter Laune nie lange dauerten.
Charis kam zum Abendessen herunter, mit ziemlich roten Augen, doch durchaus beherrscht. Und als sie und Frederica sich in den Salon zurückzogen, nahm sie ihre Stickerei auf und antwortete zwar auf Fredericas Versuch, ein Gespräch
Weitere Kostenlose Bücher