Heirs of Kilronan 01 - Geheimnisvolle Versuchung
nicht gewachsen.
Das Erste, was auf Aidans Liste der zu erledigenden Dinge stand, war etwas, womit sich diese langen Beine und dieser wohlgerundete Po verdecken ließen. Ob das allerdings die Lösung war, war fraglich. Diese Frau bräuchte schon einen verdammten Sack, um ihre verführerische Sinnlichkeit zu tarnen. Aber helfen würde es auf jeden Fall.
»Sie sprechen nicht wie die Diebe, die ich bisher gehört habe«, sagte er zu ihr.
Sie versteifte sich und schob das Kinn vor, als sie trotzig seinen Blick erwiderte. »Und mit wie vielen Dieben sprechen Sie, Lord Kilronan?«
»Nun ja, da haben Sie nicht ganz unrecht, aber meine Frage ist damit nicht beantwortet.«
»Sie haben mir keine gestellt.«
Auch diesen kleinen Sieg gestand er ihr mit einer Handbewegung zu. »Dann lassen Sie mich das gleich berichtigen. Wer sind Sie, Miss O’Connell? Und was tun Sie in meiner Bibliothek?«
Für einen Moment lang drückte ihre Miene Unsicherheit aus. Aber dann verhärtete sie sich zu einem Ausdruck grimmiger Entschlossenheit, und aus porzellanener Eleganz traten die frostigen Gesichtszüge der Diebin hervor, die in sein Haus eingebrochen war und gekämpft hatte wie eine Tigerin. Zwei Seiten einer höchst interessanten Münze, dachte Aidan.
»Hören Sie auf, mich Miss O’Connell zu nennen! Das war einmal. Heute bin ich einfach nur noch Cat – oder was immer ich auch sein muss, um zu überleben.«
»Kein aufgebrachter Vater sucht die Straßen nach Ihnen ab? Kein Bruder mit einer Donnerbüchse und einem Priester im Schlepptau ist hinter Ihnen her?«
Sie presste die Lippen zusammen, bis weiße Linien um ihren Mund erschienen. »Niemand.«
»Auch gut.« Aidan zuckte die Schultern und gab seine Neugier, wenn auch widerstrebend, auf. Eine Einbrecherin, die sich hielt wie eine Königin und sich auch so auszudrücken wusste, steckte voller Möglichkeiten. Aber was ihn anging, so hatte er sein Quantum an Geheimnissen bereits erreicht.
»Und was Ihre Bibliothek betrifft«, fuhr sie fort, »so war ich dort, um zu stehlen.« Sie verschränkte ihre Arme. »Werden Sie jetzt also die Wache rufen oder nicht?«
Er verkniff sich die Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag, und beschränkte sich darauf, mit »Nein« zu antworten.
Sichtlich verwirrt, aber auch erleichtert, setzte sie sich gerader hin. »Wenn Sie also nicht vorhaben, mich nach Newgate zu schicken, kann ich dann gehen?«
»Noch nicht.«
Sie sank wieder zurück auf ihrem Stuhl.
Die Antworten, die er suchte, waren in dem Tagebuch enthalten. So musste es sein. Warum wäre es sonst versteckt gewesen, statt bei den anderen persönlichen Papieren seines Vaters? Und nicht nur versteckt, sondern zudem auch noch geschützt durch eine Sprache, die jeder Gelehrte, den er aufgesucht hatte, als Kauderwelsch bezeichnete? Das Tagebuch enthielt den Schlüssel, um endlich die Wahrheit über den Tod seines Vaters herauszufinden. Vielleicht enthielt es sogar Anhaltspunkte zu dem Verschwinden seines Bruders.
Und er saß der einzigen Person gegenüber, die diese unmögliche Schrift entziffern konnte. Deshalb konnte Newgate warten. Für den Moment gehörte diese hübsche Diebin ihm.
Aidan trommelte mit den Fingern an sein Bein, während er langsam auf dem Teppich auf und ab schritt und sehr bedachtsam seine Worte wählte. »Ich mache Ihnen ein Angebot.«
Sie zupfte an einem losen Fädchen an ihrem Ärmel, ohne ihren misstrauischen Blick von seinem Gesicht zu nehmen. Und dann, im Bruchteil von Sekunden, verblassten ihre jadegrünen Augen zu Grau. Oder war es Blau? Und ihr Haar – war es dunkelbraun oder von einem tiefen, dunklen Rot? Lockte es sich im Nacken oder war sah es nur so aus in diesem Licht?
Aidan schloss die Augen und zählte bis zehn, bevor er einen Gegenzauber flüsterte. » Visousk distagesh.«
Wie immer drehte sich ihm der Magen um und schien bis in seine Kehle hinaufzusteigen, als hätte er zu viel Wein getrunken. Sowie er die Augen jedoch wieder öffnete, hatten ihre verschwommenen Züge sich wieder gefestigt, und sie schien so entgeistert zu sein, dass sie ihn nur offenen Mundes anstarren konnte.
»Wie haben Sie das gemacht? Das hat bisher noch niemand ...« Sie presste die Lippen zusammen, und ein trotziger Gesichtsausdruck legte sich über ihre feinen Züge.
»Ich habe einen nix verwendet, um Ihren Zauber zu durchbrechen. Etwas drastisch, aber wirkungsvoll.« Aidan gestattete sich ein kühles, zufriedenes Lächeln. Gerade dieser Zauber war höllisch schwer zu
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