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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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hätte er das tun sollen?« Lamberts Stimme war ausdruckslos.
    »Weil er mit seiner Zeit bei der Legion abgeschlossen hatte, niemanden mehr kannte oder kennen wollte und keine Beziehungen zu den sogenannten ›Anciens‹ mehr hatte. Außer zu Ihnen …« Calis griff in die Lederjacke und zog Konstantinos’ Tagebuch heraus, legte es auf das Hemd.
    In Lamberts Gesicht zuckte ein Muskel. Die roten Umrisse Afrikas auf dem Einband schienen im Dunkel zu leuchten.
    »Konstantinos diente jahrelang in Ihrem Zug, natürlich unter einem anderen Namen«, fuhr Calis fort. »Sie beide freundeten sich an. Er, der renitente, unzufriedene Aufrührer, Sie, der disziplinierte und verantwortungsvolle Offizier. Sie waren es, der ihn nach Manaus schickte, zum Kommandokurs, für ihn eintrat, sich einsetzte. Das hat er Ihnen nie vergessen.«
    Der Kommissar griff erneut in seine Jacke und legte Konstantinos’ Notizbuch neben die Abzeichen.
    »Also rief Konstantinos Sie an und berichtete von dem Tagebuch, von Siemens und der Turbinenhalle, von dem Versteck und dem Zeitdruck. Er notierte fein säuberlich jedes Telefonat. Und Sie hatten eine Idee. Um jeden Verdacht einer Verbindung zwischen Ihnen und Konstantinos von vornherein auszuschalten, lief alles über von Strömborg, einen Geschäftspartner. Der sagte rasch zu, wohl aus Geltungssucht, aber sicher auch, weil er es sich mit Konstantinos nicht verderben wollte. Dann trieben Sie drei Exlegionäre auf, die dringend Geld brauchten. Waren Sie zur Sicherheit auch vor Ort, als Tronheim ermordet wurde? Haben Sie sein Fahrrad mitgenommen, als Trophäe? Zugesehen, aus sicherer Entfernung, wie man ihm den Hals durchschnitt? Als Erinnerung an den Tschad oder Afghanistan, an Algerien oder den Kosovo?«
    Der Offizier schloss die Augen und schwieg.
    »Doch dann war es an der Zeit, die Zeugen zu beseitigen. Drei ehemalige Legionäre, und alle kannten Sie, Lambert, der sie angeheuert hatte! Für den gründlichen und stets vorausdenkenden Offizier Lambert ein unhaltbarer Zustand. Also brachten Sie die Sprengsätze, die von Strömborg eilfertig beschafft hatte, in den frühen Morgenstunden in der Arolser Straße an dem Opel Insignia an und machten sie scharf. Alles verlief wie geplant. Es krachte – und dann gab es keine Zeugen mehr, alles war in Ordnung. Doch dann tauchte ich auf der Bildfläche auf. Sie waren keine halbe Stunde zuvor aus Frankfurt zurückgekehrt, nicht wahr? Als ich Sie anrief, saßen Sie noch im Auto. Und wenig später stand ich hier auf der Matte und stellte Fragen zur Legion, zum Clown und hatte doch keine Ahnung.« Calis schüttelte den Kopf. »Dabei war ich so knapp dran.«
    Er nahm noch einen großen Schluck Eistee, bevor er fortfuhr. »Doch mit einem Mal gab es ein unvorhergesehenes Problem. Konstantinos erhielt wie bestellt den geheimnisvollen Gegenstand aus der Turbinenhalle von von Strömborg ausgehändigt – und konnte nichts damit anfangen. Eine simple Glaspyramide! Er rief Sie an, ratlos und wohl auch ein wenig enttäuscht. War alles umsonst gewesen? Nur der schlechte Scherz eines Kriegsgefangenen? Doch das war nicht mehr Ihre Sorge.«
    »Nein, das war es nicht mehr«, war alles, was Lambert sagte. Dann griff er in die Tasche und zog eine schwarze kleine Fernbedienung heraus. »Es ist besser, wenn Sie jetzt gehen, Kommissar. Ich öffne die Schranke für Sie.«
    Calis runzelte die Stirn.
    Da griff Lambert neben sich und hängte einen Wimpel an den Pfosten, der das Vordach der Veranda trug. »Sie erinnern sich? Die Farben der Legion …«
    Calis sah genauer hin. Grün, Rot … »Blut auf dem Land«, flüsterte er.
    Der Offizier nickte. »Legio patria nostra.«
    Wie ein Glühwürmchen bewegte sich plötzlich ein roter Punkt über die Holzbretter der Veranda, stieg an Lamberts Hosenbeinen hoch und kam auf seiner Brust in Höhe des Herzens zum Stillstand.
    »Sie haben Ihre Truppen bereits in Stellung gebracht, Kommissar«, sagte Lambert. »Sehr geschickt, aber nicht nötig. Wir kämpfen vielleicht bis zum letzten Mann, bis zur letzten Patrone, bis zum letzten Atemzug. Aber gegen Soldaten, nicht gegen Zivilisten.«
    Er setzte sich das Barett auf, rückte es zurecht und sah den Kommissar an. »Bitte gehen Sie jetzt, Kommissar Calis. Erfüllen Sie mir diesen Wunsch.«
    Der rote Punkt stand nun genau zwischen den Augen des Offiziers.
    Calis erhob sich schweigend, nahm das Hemd, das Notiz- und das Tagebuch und trat hinaus auf die weite Grünfläche. Er atmete durch, spürte die

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