Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
Vom Netzwerk:
Jahren?
    Assaids Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Das Zischen und Rumpeln erfüllte die Luft wie eine massive Wand aus Schall. Panik schüttelte seinen Körper, seine Hände zitterten unkontrolliert.
    Bald wird die Kobra der Berge zustoßen, fuhr es dem schmächtigen Mann durch den Kopf, und ich werde sterben. Allein, begraben in einem Berg, inmitten einer Landschaft, die wie aus einer anderen Welt schien. Schroff, wasserlos, rotbraune Erde ohne jede Vegetation.
    Ein Berg inmitten von Hunderten anderen Bergen, die alle gleich aussahen.
    Unauffindbar, für immer verschollen in der Steinwüste, wie William »Bill« Lancaster und so viele andere namenlose Piloten, Karawanen oder Patrouillenreiter.
    Mit den Tonnen von glühend heißem Stein kam die Hitze in die riesige runde Gruft, ein Zeichen dafür, dass loser Oberflächenschotter nachrutschte.
    Assaid brach der Schweiß aus. Unwillkürlich hielt er sich am Sarkophag fest, als er in den dunklen Abgang hinunterblickte, seine Überlebenschancen abwog.
    Erschrocken riss er die Hand wieder zurück.
    Das Glas war kalt, eiskalt.
    Verwirrt sah Assaid zuerst auf seine Handfläche und dann auf das kunstvolle Gebilde aus Glas. Erneut legte er seine Hand auf den Sarkophag und hatte das Gefühl, einen tiefgekühlten Quader zu berühren. Das ist unmöglich, sagte ihm sein Gehirn, aber es blieb ihm keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Kleine Ströme von Sand schlängelten sich zwischen den Sockeln der Figuren hindurch, wurden schnell breiter und höher, bewegten sich auf die letzte Ruhestätte des geheimnisvollen Unbekannten zu.
    Dann kamen die größeren Steine …
    Was, wenn die beiden Abgänge nur zu einem kleinen Kultraum unter dem Sarkophag führten? Der junge Mann wagte es nicht, daran zu denken. Er verfluchte seine Besessenheit, die ihn beharrlich bis in die Mauretanische Wüste geführt hatte.
    Und direkt in den Tod.
    Rasch ergriff er eine der Fackeln, die er noch an seinem Gürtel hängen hatte, und entzündete sie. Ihre rußende Flamme loderte hell auf, und der Sarkophag schien in dem flackernden Licht zu leuchten. Assaid sah genauer hin, und der Atem stockte ihm. Fremdartige Zeichen erschienen im Glas, wie von Geisterhand gezeichnet. Es war, als schwebten sie rund um die einbalsamierte Leiche, eine magische Barriere aus unbekannten Buchstaben und Symbolen, dazu bestimmt, den Toten zu beschützen.
    Und alle zu verfluchen, die ihm zu nahe kamen.
    Der junge Ägypter riss seinen Blick von dem mysteriösen Körper los und leuchtete in den linken Abgang. Die Stufen der engen Treppe verloren sich in der Dunkelheit, die Luft roch schal und abgestanden. Farbige Malereien in Ocker und Königsblau bedeckten die Wände des Ganges.
    Die Skorpione schienen das flackernde Licht der Fackel nicht zu mögen. Sie versuchten der Flamme zu entkommen, wichen zurück, kletterten aufeinander, stapelten sich schließlich an der Wand übereinander. Sie wurden aggressiver, richteten die Stacheln auf, doch die lebendige schwarze Masse wusste nicht, wohin sie ausweichen sollte.
    Einzelne Tiere zogen sich zurück, krabbelten über die Stufen weiter hinunter in die Tiefe, aufgescheucht und angriffslustig, aber ihr Instinkt schien sie vor der Steinflut zu warnen.
    Die ersten Sandströme erreichten die beiden Abgänge links und rechts des Sarkophags, und dünne Fäden rieselten über die obersten Treppenstufen. Das scheuchte die Skorpione noch mehr auf. Ahnten sie das drohende Unheil?
    Assaid leckte sich über seine trockenen, aufgesprungenen Lippen. Es blieb ihm nicht mehr viel Zeit für Entscheidungen. Oder besser gesagt, er hatte keine Wahl: Der Tod war hinter ihm, neben ihm und vor ihm. Assaid kam das Bild einer Sanduhr in den Sinn, aber er konnte nicht einmal mehr darüber lächeln.
    Die Skorpione wichen ihm aus, als er sich hinabbeugte, den Kopf einzog und – die Fackel vor sich erhoben – die erste Stufe betrat. Das unentwegte Zischen des hereinströmenden Gerölls in seinem Rücken trieb ihn zur Eile an.
    Wie hatte sein Freund John Finch, der blutjunge Pilot aus Peterborough, zu ihm gesagt, als er erfahren hatte, dass Assaid in die westliche Sahara reisen wollte? »Lass es bleiben. Die Wüste ist ein Ort ohne Erwartungen.« Da hatten sie an der klimatisierten Bar des Hotels Continental-Savoy in Kairo gesessen, vor drei Wochen.
    Assaid kam es vor wie eine Ewigkeit.
    Jetzt verwünschte er sich dafür, dass er Finch nichts von Chinguetti verraten hatte, von dem Dokument und von allem

Weitere Kostenlose Bücher