Heiß
verwaist.
Vor der rot-weißen Schranke, die die Zufahrt versperrte, blieb Calis stehen und lehnte sich an den runden, frisch gestrichenen Holzbalken.
Nichts geschah.
Doch der Kommissar blieb stehen, beobachtete die Veranda und wartete. Täuschte er sich, oder leuchtete im Dunkel unter dem Vordach immer wieder der rote Punkt einer Zigarettenglut auf? Nach einigen Minuten bückte sich Calis, schlüpfte unter der Schranke durch und ging aufs Haus zu.
Lieutenant-Colonel Maurice Lambert saß in einem der Rattan-Sessel und sah ihm ruhig entgegen. Er trug eine makellos sitzende Uniform und drückte die Zigarette aus, die er gerade geraucht hatte.
»Guten Abend, Kommissar Calis.« Der Legionär machte eine einladende Handbewegung. »Nehmen Sie Platz und leisten Sie mir ein wenig Gesellschaft. Der Abend ist lau und der Eistee kalt.« Er wies auf einen vollen Krug mit Gläsern.
»Haben Sie mich erwartet?«, erkundigte sich Calis und setzte sich.
Lambert legte die Fingerspitzen aneinander und blickte darüber hinweg in die Ferne. Nach einem Moment antwortete er: »Irgendwann würden Sie wohl wiederkommen, so oder so.«
»Richtig«, nickte Calis. »So oder so.«
Er griff in seine Lederjacke und zog das khakifarbene Hemd mit den Abzeichen heraus, breitete es aus und legte es auf den niedrigen Tisch. »Georgios Konstantinos. Ehemaliger Elitesoldat der Fremdenlegion. Letzter Einsatz im Tschad. Kommandokurs in Manaus, Ausbildung im Amazonas-Dschungel. Wie Sie sehen, habe ich meine Hausaufgaben gemacht.«
Der Offizier sagte nichts und blickte starr geradeaus.
»Einer von den ›Besten der Besten‹. Hart, brutal, ein Ausnahmesoldat. War es nicht Teil der Ausbildung, giftigen Schlangen den Kopf abzubeißen?« Calis nahm einen Schluck Eistee. »Nun, Konstantinos konnte nicht von ihnen lassen. Er hielt Dutzende von ihnen in Terrarien. Vielleicht wollte er im Training bleiben. An der letzten hat er sich verschluckt.«
»Der Schlangenträger«, murmelte Lambert schließlich wie abwesend. »Konstantinos machte eine kurze, aber steile Karriere bei der Legion. Er hatte seine eigenen Vorstellungen von Tradition und Kameradschaft, hasste Tattoos, war ein Einzelgänger, eckte überall an. Aber er war gut, sehr gut sogar. Als er nach neun Jahren austrat, weil er das Imperium seines Vaters übernehmen sollte, war für ihn das Kapitel Legion erledigt.«
»Ich habe es heute früh in seiner Villa wiederentdeckt«, warf Calis ein und deutete auf das Hemd. »Und einiges mehr.«
Lambert drehte den Kopf und sah den Kommissar forschend an. »Dann ist er tot«, sagte er nach einer Weile.
»Elendig krepiert«, nickte Calis. »Die Klapperschlangen waren diesmal schneller als er.«
Der Legionär blickte wieder in die Ferne und schwieg.
»Konstantinos war Grieche mit Leib und Seele, auch wenn er das hinter der Fassade des smarten, reichen internationalen Geschäftsmannes perfekt versteckte«, fuhr Calis fort. »Als Elitesoldat bewunderte er Alexander den Großen. Ich habe heute Morgen sein Tagebuch gelesen. Und nun kommt die Ironie der Geschichte. Als ihm plötzlich durch Zufall ein Nachlass von einem Pariser Antiquar angeboten wurde, hatte er keine Ahnung, worum es eigentlich ging. Er kaufte das Konvolut. Erst als er das darin enthaltene Tagebuch übersetzen ließ, war seine Neugier geweckt. Der Verfasser hatte etwas Wichtiges versteckt, in der Turbinenhalle von Siemens in Berlin. Was genau war es? Niemand wusste es. Worum ging es überhaupt? Keiner ahnte es. Doch was immer es war, Konstantinos wollte es haben, so rasch wie möglich. Denn es waren die Fotos aus dem Nachlass, die ihn beunruhigt hatten. Er, der selbst jahrelang in Afrika im Einsatz gewesen war, forschte auf eigene Faust nach, entwickelte Theorien, stellte Zusammenhänge her, und egal wie er es drehte und wendete – es ging um Gold, viel Geld und damit um Macht.«
Lambert starrte noch immer in den Abend.
»Doch Konstantinos hatte nur einen Teil des Nachlasses erworben. Das Tagebuch trug die römische Ziffer III , und schnell wurde ihm klar, dass es noch andere gab. Eine Nachfrage bei dem Antiquar in Paris bestätigte dies. Aber die anderen Bücher waren bereits verkauft, weg, außer Reichweite. Jetzt brannte Konstantinos die Zeit unter den Nägeln. Was, wenn in den anderen Aufzeichnungen ebenfalls Hinweise auf Siemens und das Versteck in der Turbinenhalle existierten? Wenn andere ebenfalls bereits auf der Suche waren, nicht nur er? Also wandte er sich an Sie.«
»Warum
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