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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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und Bojen, Fangkörbe auf einem stilisierten, nachgebauten Meeresgrund aus Pappmaché, dazwischen eine künstlich gealterte Hafenlaterne aus chinesischer Produktion. Die meisten Gäste waren offenbar Einheimische, was ein gutes Zeichen war, und eine Handvoll Kellner wieselte flink zwischen den vollen Tischen hin und her, riesige Teller mit Vorspeisen, Fladenbrot, Salaten und Fisch balancierend. Trotz der Tatsache, dass im Kadoura kein Alkohol ausgeschenkt wurde, war der Lautstärkepegel ohrenbetäubend hoch. Finch dachte gerade mit leichtem Grauen an die bevorstehende Unterhaltung, da führte ihn einer der Kellner in einen Nebenraum, der mit dunklem Holz verkleidet war und bei gedämpfter Beleuchtung die angenehme Atmosphäre eines englischen Clubs mitten in Alexandria verbreitete. Von den vier Tischen waren zwei bereits von deutschen Touristen besetzt, die in stiller Verzückung in opulenten Fischplatten mit Langusten und Krebsen schwelgten.
    »Den Tisch in der Ecke haben wir für Sie reserviert, Sir«, merkte der Kellner mit einer Verbeugung an. »Nehmen Sie bitte Platz, ich bringe Ihnen gleich die Speisekarte und den Aperitif des Hauses.«
    Wenige Augenblicke später stellte er ein langstieliges Glas mit Zuckerrand vor Finch, den angesichts der undefinierbaren Flüssigkeit die Sehnsucht nach einem frisch gezapften Sakkara-Bier überwältigte.
    »Sie können den Aperitif ruhig trinken, Mr. Finch, es ist Orangensaft und Grenadine mit ein paar Eiswürfeln aus Limettensaft.« Die tiefe, weibliche Stimme ließ Finch aufblicken. Dr. Mokhtar entsprach überhaupt nicht dem Bild, das er sich von der Kuratorin eines ägyptischen Manuskriptenmuseums gemacht hatte. Sie war groß und schlank, ja fast dünn, trug die dunklen, langen Haare aufgesteckt und schien ihre elegante Garderobe direkt aus den Boutiquen um die Avenue Montaigne in Paris zu beziehen. Ihre braunen Augen strahlten John Finch an, und ihr Lächeln war ansteckend. »Ich habe mich über vierzig Jahre auf diesen Augenblick gefreut, müssen Sie wissen. Auch wenn der Anlass jetzt doch ein ganz anderer ist …«
    Finch runzelte verblüfft die Stirn. »Tut mir leid, aber …«
    »Sie werden gleich verstehen«, unterbrach sie ihn unvermittelt und ließ dabei den Piloten nicht aus den Augen. »Erinnern Sie sich noch an den Maria-Theresien-Taler auf der Bar des Continental-Savoy, Mr. Finch? An das kleine Mädchen im weißen Rüschenkleid? Damals, nach dem Algerienkrieg?«
    Für einen Moment versank das Kadoura in einem Strudel von Erinnerungen, der John Finch mitriss. Die alte DC 3 , die Versorgungsflüge nach Algier, der Terror in den Straßen. Er sah die lächelnde Frau mit großen Augen an, sprachlos vor Überraschung.
    »Sie …? Sie waren das …? Das ist ja unglaublich …«, stotterte er, als er sich wieder gefangen hatte. Dann griff er in die Tasche und zog eine große, silberne Münze hervor, die er auf den Tisch legte. Sie war abgenutzt und etwas zerkratzt, das Bild der Kaiserin verflacht. Die Jahreszahl 1780 war nahezu unleserlich geworden.
    »Sie haben ihn also noch«, meinte Dr. Mokhtar leise, strich mit den Fingern behutsam über das Silber und schluckte. Ihre Augen wurden feucht und schließlich rannen zwei Tränen über ihre Wangen.
    Der Pilot nickte. »Er hat mich immer begleitet, wohin ich auch flog, als Erinnerung an einen Augenblick der Menschlichkeit in einem der schmutzigsten Kriege, die Nordafrika je gesehen hat.« John Finch fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »An ein bisschen Hoffnung und daran, dass wir dem Schicksal einen Streich gespielt haben. Damals, vor langer Zeit …«
    »Sie haben meinen Vater und mich gerettet«, stellte Amina Mokhtar einfach fest, »und dabei Ihr Leben riskiert.«
    »Wir waren jung und unsterblich«, gab Finch zu bedenken.
    »Und heute?« Dr. Mokhtar griff nach seiner Hand und sah ihn forschend an.
    »Heute sind wir ein paar Jahre älter und noch immer unsterblich, oder?«, lächelte John Finch und blickte in die braun-schwarzen Augen, die ihn musterten. Bilder tauchten auf, aus den Tiefen der Vergangenheit. »Sie waren damals noch ein Kind, ein kleines Mädchen«, meinte er dann leise. »Acht oder neun Jahre alt?«
    Amina Mokhtar nickte stumm.
    »Ich erinnere mich noch daran, dass Sie kein einziges Wort gesprochen haben, aber Ihre Augen waren so beängstigend kalt und leer …« Der Pilot sah nachdenklich auf den Maria-Theresien-Taler auf dem Tischtuch, der matt im Licht der Lampen leuchtete. »Ich

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