Heiß
in der kurzen Zeit hatte sich die Atmosphäre in Nordafrika tatsächlich verändert. Alles schien leichter geworden, beschwingter, selbstbewusster. Bisher hatte die anfangs so blutige Revolution ihre Kinder gut behandelt. Die Freiheit war greifbar geworden, auch wenn die Demonstrationen weitergingen.
John Finch schloss genießerisch die Augen. Die Sonne tat gut. Noch vor einer Stunde hatte er gegen den Jetlag gekämpft und verloren. Er hatte sich auf das große Bett geworfen und geschlafen, bis ihn Sparrow geweckt hatte, indem er mit dem Schnabel gegen die Scheiben klopfte, um gegen die Langeweile zu protestieren.
»Wer dich hat, braucht keinen Wecker«, hatte Finch gegrummelt und sich gähnend gestreckt. Nach der Mütze Schlaf fühlte er sich wesentlich besser, wenn auch noch immer müde. Sparrow, zufrieden darüber, endlich wieder wache Gesellschaft zu haben, war nach einer ausführlichen Besichtigung der Suite auf die lange Vorhangstange unter der hohen Decke geflattert und schien da seinen neuen Lieblingsplatz entdeckt zu haben.
Finch spürte, wie er nach der langen Flugreise auch gedanklich endlich in Ägypten ankam. Er atmete tief ein und genoss den Wind, der vom Meer her wehte, Geschichten aus Europa mitbrachte, aus den Häfen Zyperns und den Buchten der griechischen Inseln, aus Istanbul und von den Steilküsten Kretas. War hier nicht das Tor zum Maghreb, dem Reich, in dem die Sonne unterging und von dem die Araber sagten: »Der Maghreb ist ein heiliger Vogel – sein Leib ist Algerien, sein rechter Flügel Tunesien, sein linker Marokko«?
Er war so in Gedanken versunken, dass er das leise Klopfen an der Tür fast überhört hätte. Erst als Sparrow »alle Mann an Deck! Alle Mann an Deck!« kreischte, wusste Finch, dass er sich nicht getäuscht hatte und öffnete die Tür. Vor ihm stand ein Hotelboy, ein Junge von etwa fünfzehn Jahren, etwas unsicher lächelnd, und hielt ihm auf einem Silbertablett einen weißen Umschlag mit einer Nachricht hin.
»Effendi, das wurde vor wenigen Minuten für Sie abgegeben«, erklärte der Junge in der weißen Uniform, während er versuchte, über Finchs Schulter einen Blick auf den Papagei zu erhaschen.
Der Umschlag war überraschend leicht, und Finch legte einen Dollar an seine Stelle. »Wenn du mir jetzt noch verrätst, wer ihn für mich abgegeben hat, dann kommen noch zwei weitere dazu«, stellte er fest, legte das Geld auf das Tablett und sah den Hotelboy fragend an.
Der Junge trat nervös von einem Fuß auf den anderen, überlegte kurz und schüttelte den Kopf. »Ich habe fünf Dollar bekommen, damit ich nichts sage«, meinte er. Dann hellte sich sein Gesicht auf, und er strahlte Finch an. »Sie sind also noch zwei Dollar unter dem Limit, Effendi«, lachte er und deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die drei Geldscheine.
Finch zog einen Zehn-Dollar-Schein aus der Tasche und winkte damit. »Dafür möchte ich aber auch noch die Adresse und die Telefonnummer wissen«, grinste er.
Der Page schaute sich rasch im Gang um. Dann lehnte er sich verschwörerisch vor. »Es war eine Frau«, flüsterte er, »eine elegante Dame.« Dabei ließ er den Schein nicht aus den Augen.
»Weiter?«, fragte Finch nach und war überrascht, dass er dabei an Fiona dachte.
»Ich habe sie vorher noch nie im Hotel gesehen«, antwortete der Junge. »Aber ich kann mich erkundigen, was sie macht und wo sie wohnt, ich habe viele Kontakte in der Stadt.« Ein hoffnungsvolles Leuchten trat in seine Augen.
Finch überlegte kurz, dann ließ er den Schein auf das Tablett fallen. »Dafür siehst du auch ab und zu nach Captain Sparrow, wenn ich nicht im Zimmer bin, und fütterst ihn. In Gesellschaft gewöhnt er sich besser an die neue Umgebung.«
Mit einer raschen Bewegung schlängelte sich der Hotelboy um Finch herum und blickte neugierig im Zimmer umher. Sparrow trippelte aufgeregt auf der Vorhangstange vor und wieder zurück und krächzte leise vor sich hin, während er den Jungen aus sicherem Abstand musterte.
»Hallo Sparrow!«, rief der Hotelboy, holte eine Nuss aus seiner Tasche und streckte sie dem Papagei hin. »Ich bin Sharif und ich wette, dass dir die schmeckt.«
Sparrow überlegte nicht lange, segelte herunter und schnappte sich blitzschnell die Nuss von der Handfläche des Jungen. Dann kehrte er zurück auf seine Vorhangstange. Sharif lachte glücklich. »Wir werden uns gut verstehen, Effendi«, sagte er zu John Finch.
»Und wir beide werden uns noch besser verstehen, wenn du
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