Heiße Beute
können.«
»Können Sie dem Interessenten trauen?«
»Es klang alles ganz gut. Ein Freund von mir holt uns am Flughafen ab. Er ist ein kluges Köpfchen, er wird die Transaktion überwachen. Ich glaube, es wird alles ganz einfach sein. Wir übergeben den Orden, ein Experte wird ihn begutachten, und Evelyn und ich kriegen einen Koffer voller Geld.«
»Und wie soll es weitergehen?«
»Wahrscheinlich müssen wir uns weiter versteckt halten. Irgendwo ein neues Leben beginnen. Und wenn Abruzzi geschnappt wird oder umkommt, können wir wieder nach Hause.«
Es gab keinen Grund, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Ich fand ihre Entscheidung wenig durchdacht, aber ich hatte kein Recht, sie deswegen zu kritisieren. »Viel Glück«, sagte ich. »Meldet euch. Und ruft Mabel an. Sie macht sich Sorgen.«
Evelyn sprang auf und drückte mich. Dotty scharte die Kinder um sich, und auf ging es zum Flieger nach Miami.
Ranger kam zu mir und legte einen Arm um meine Schulter. »Sie haben dir wohl eine rührselige Geschichte erzählt, was?«
»Ja.«
Er lachte und gab mir einen Kuss auf die Stirn. »Wirklich, du solltest den Beruf wechseln. Wie wäre es mit einem Pudelsalon oder Floristin.«
»Ihre Geschichte klang ziemlich überzeugend.«
»Hat das kleine Mädchen einen Mord beobachtet?«
»Sie hat einen Militärorden geklaut, der eine Menge Geld wert sein soll.«
Ranger sah mich neugierig an und grinste. »Wie schön. Unternehmertum bei so jungen Menschen, das gefällt mir.«
»Ich habe keinen Mordzeugen. Der Bär und der Hase sind tot. Und ich, ich bin ins Knie gefickt.«
»Lieber woanders hin. Und erst nach dem Essen«, sagte er. »Ich lade dich ein.«
»Die Einladung gilt aber nur für das Essen, ja?«
»Dafür auch. Ich kenne ein Restaurant in Newark, dagegen ist
Shorty’s
eine Tuckenschleuder.«
Mann, o Mann.
»Ach, übrigens, ich habe mal deine 38er inspiziert, die du ins Auto gelegt hast. Es sind nur zwei Kugeln drin. Ich habe das traurige Gefühl, dass die Pistole wieder in deiner Plätzchendose verschwinden wird, wenn das Magazin leer ist.«
Ich lachte Ranger an. Auch ich spiele gern mal die Geheimnisvolle.
Unterwegs im Auto funkte Ranger Hector an, und als wir später zu Hause aus dem Aufzug traten, wartete er bereits vor meiner Wohnungstür auf uns. Er übergab Ranger den neuen Codeschlüssel, dann wandte er sich lachend mir zu, bildete mit Faust und Zeigefinger eine Pistole. »Peng!«, sagte er.
»Gut gemacht«, sagte ich zu Ranger. »Hector lernt Englisch.«
Ich schloss meine Wohnung auf und ging in die Küche. Was jetzt? Sollte ich so lange warten, bis Abruzzi aufkreuzte und mich holen kam? In welcher Gestalt würde er kommen? Würde es sehr schrecklich? Wahrscheinlich jenseits meiner Vorstellungskraft.
Meine Mutter bügelte in solchen Fällen immer. Unter Stress fängt sie an zu bügeln. Wenn meine Mutter bügelt, sollte man sich von ihr fern halten. Mabel backt immer Kuchen. Und Grandma Mazur? Was würde Grandma Mazur machen? Ganz einfach, sie würde den Wetterkanal gucken. Und ich? Was würde ich machen? Ich würde Tastykakes essen.
Nur gab es da ein Problem. Ich hatte nämlich keine Tastykakes mehr im Haus. Zum Essen mit Ranger hatte ich einen Burger verzehrt und auf die Nachspeise verzichtet. Jetzt brauchte ich Tastykakes. Ohne Tastykakes musste ich hier ausharren und meine Angst vor Abruzzi allein durchstehen. Leider konnte ich nicht raus ins Land der Tastykakes, denn ich besaß kein Auto mehr. Immer noch wartete ich auf den blöden Scheck von der Versicherung.
Da fiel mir ein: Zu dem Laden konnte man doch zu Fuß gehen. Er war nur vier Straßen weiter. Zu Fuß gehen war nicht die übliche Art der Fortbewegung für ein Jerseygirl, aber was soll’s. In meiner Umhängetasche hatte ich eine Pistole, und in der Pistole steckten zwei Kugeln und warteten auf ihren Einsatz. Das stärkt das Selbstvertrauen. Ich hätte die Pistole auch gern in den Hosenbund meiner Jeans gesteckt, so wie Ranger und Joe, aber leider war der zu eng. Vielleicht sollte ich mich lieber auf einen einzigen Tastykake beschränken.
Ich schloss meine Wohnungstür ab und ging die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Mein Haus ist nicht übertrieben schick. Es ist sauber, und es wird ausreichend gepflegt und gewartet. Schnickschnack gibt es keinen. Qualität ebenso wenig. Dennoch ist es solide. Es hat einen Hintereingang und einen Vordereingang, und beide öffnen sich zu einer kleinen Eingangshalle. Treppe und Aufzug führen
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