Heiße Beute
da.
Ich schaffte einen ganzen Kilometer, dann brach ich auf einer Bank zusammen. Von der Bank aus blickte man über den See, auf dem Menschen in Booten ruderten. Am Ufer schwamm eine Entenfamilie. Gegenüber, am anderen Ufer, erblickte ich den Parkplatz und einen Imbissstand. Am Imbissstand gab es Wasser zu kaufen. Wollte ich mich selbst verarschen? Ich wollte sowieso kein Wasser, ich wollte eine Cola und eine Packung Cracker Jacks.
Ich betrachtete die Enten und überlegte, dass es mal eine Zeit gegeben hatte, da galten Speckrollen als sexy. Schade, dass ich nicht zu dieser Zeit gelebt hatte. Ein großes, zotteliges rotblondes urzeitliches Getüm sprang mich an und vergrub seine Schnauze in meinen Schoß. Ih! Es war Morellis Hund Bob. Bob war zuerst zu mir in die Wohnung gezogen, hatte sich dann aber, nach einigem Hin und Her, dazu entschlossen, mit Morelli zusammenzuwohnen.
»Er ist ganz aufgeregt, weil er sich über das Wiedersehen mit dir freut«, sagte Morelli und setzte sich neben mich.
»Ich dachte, du hättest ihm in der Hundeschule Gehorsam beigebracht.«
»Habe ich auch. Er hat gelernt, Platz zu nehmen, sitzen zu bleiben und bei Fuß zu gehen. Schnüffeln im Schoß stand nicht auf dem Lehrplan.« Morelli musterte mich. »Leichte Gesichtsröte, eine Andeutung von Schweißperlen am Haaransatz, Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, Laufschuhe – darf ich raten? Du bist gejoggt.«
»Na und?«
»Das ist doch toll! Ich bin nur erstaunt. Als ich das letzte Mal mit dir joggen war, hast du einen Umweg über eine Bäckerei gemacht.«
»Ab heute werden andere Saiten aufgezogen.«
»Du kriegst wohl mal wieder den obersten Knopf deiner Jeans nicht zu.«
»Wenn ich gleichzeitig noch atmen will …«
Bob hatte eine der Enten am Ufer entdeckt und ging auf sie los. Die Ente flüchtete ins Wasser, Bob planschte hinein und versank gleich bis zum Hals. Er drehte sich um und schaute uns angsterfüllt an. Bob war vermutlich der einzige Golden Retriever auf der ganzen Welt, der nicht schwimmen konnte.
Morelli stapfte in den See und zog Bob hinter sich her ans Ufer. Der Hund schleppte sich auf den Rasen, schüttelte sich kräftig und rannte gleich wieder los, diesmal hinter einem Eichhörnchen her.
»Du bist ein Held«, sagte ich zu Morelli.
Er streifte die Schuhe ab und krempelte sich die Hosenbeine bis zum Knie hoch. »Du sollst auch einige Heldentaten vollbracht haben, wie mir zu Ohren gekommen ist. Butch Dziewisz und Frankie Burlew waren gestern Abend in Soders Bar.«
»Dafür kann ich nichts.«
»Natürlich kannst du was dafür«, sagte Morelli. »Du kannst immer was dafür.«
Ich verdrehte die Augen gen Himmel.
»Du fehlst Bob.«
»Soll er mich anrufen, eine Nachricht auf meinem Beantworter hinterlassen.«
Morelli latschte zurück zur Bank. »Was hattest du in Soders Bar verloren?«
»Ich wollte mit ihm über Evelyn und Annie reden, aber er war nicht in Stimmung.«
»Rutschte seine Stimmung in den Keller, bevor oder nachdem er mit einer Umhängetasche eine übergezogen bekommen hatte?«
»Ich würde sagen, er war gedämpfterer Stimmung, nachdem Lula ihn geschlagen hatte.«
»Benommen, wie sich Butch ausgedrückt hat.«
»Benommen könnte zutreffen. Wir sind nicht so lange geblieben, um das festzustellen.«
Bob kehrte von der Eichhörnchenjagd zurück und begrüßte Morelli mit einem Bellen.
»Bob ist ganz hibbelig«, sagte Morelli. »Ich habe ihm versprochen, einmal um den See mit ihm zu laufen. In welche Richtung musst du?«
Würde ich die gleiche Strecke zurückjoggen, wären es nur anderthalb Kilometer, fast fünf, wenn ich den See umrundete. Morelli sah stilvoll aus mit den hochgekrempelten Hosenbeinen, und die Versuchung war groß. Leider hatte ich an der Ferse eine Blase, in der Seite spürte ich einen Stich, und sonderlich attraktiv muss ich auch nicht ausgesehen haben.
»Ich laufe Richtung Parkplatz«, sagte ich.
Es gab einen Moment der Verlegenheit, während ich darauf wartete, dass Morelli sich mir anschloss. Gerne wäre ich mit ihm zum Auto zurückgegangen. Wenn ich die Wahrheit sagen soll, Morelli fehlte mir. Mir fehlte die Leidenschaft, mir fehlten seine liebevollen Hänseleien. Er zog mich gar nicht mehr zärtlich an den Haaren. Er guckte mir gar nicht mehr in den Ausschnitt oder unter den Rock. Wir waren an einem toten Punkt angelangt, und ich wusste einfach nicht, wie wir den überwinden sollten.
»Versuch, das nächste Mal vorsichtiger zu sein«, sagte Morelli. Wir
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