Heiße Beute
Kaffeesorten gab, dazu viele exotische Espressogetränke.
Ich bestellte einen extra fettarmen Karamellmochaccino und ging mit dem Getränk zum Tresen am Fenster. Dort quetschte ich mich neben eine alte Dame mit feuerrotem Haar, das zu einer stacheligen Frisur toupiert war. Die Dame war klein und rundlich, mit apfelroten Wangen und einer apfelförmigen Statur. Überdimensionale türkisfarbene und silberne Ringe baumelten an ihren Ohrläppchen, kunstvolle Ringe steckten an jedem knotigen Finger, dazu trug sie einen weißen Trainingsanzug aus Polyester und Skechers-Turnschuhe mit Plateausohlen. Ihre Augen waren dick mit Wimperntusche verkleistert, der dunkelrote Lippenstift hatte sich auf der Cappuccinotasse abgedrückt.
»He, Sie da«, sagte sie mit Raucherstimme – zwei Schachteln am Tag – »ist das ein Karamellmochaccino? Den habe ich früher auch gern getrunken, aber davon bekam ich so ein Zittern. Zu viel Zucker. Wenn Sie zu viel davon trinken, kriegen Sie Diabetes. Mein Bruder hat Diabetes, dem mussten sie einen Fuß amputieren. Das war ziemlich hässlich. Zuerst wurden seine Zehen schwarz, dann der gesamte Fuß, dann fiel die Haut in großen Lappen ab. Als würde ihm ein Hai große Fleischbrocken aus dem Körper reißen.«
Ich sah mich nach einem anderen Platz um, wo ich stehen und in Ruhe meinen Kaffee weitertrinken konnte, aber es war pickepackevoll.
»Er ist jetzt in einem Pflegeheim, weil er ja nun nicht mehr so gut laufen kann«, fuhr sie unbeirrt fort. »Wenn es eben geht, besuche ich ihn, aber ich habe ja auch mein eigenes Leben. Wenn man so alt ist wie ich, hat man keine Zeit mehr zu verschenken. Jeden Tag kann es so weit sein: Man wacht auf und ist tot. Natürlich halte ich mich fit. Wie alt schätzen Sie mich?«
»Achtzig?«
»Vierundsiebzig. Es gibt Tage, da sehe ich besser aus als an anderen«, erklärte sie. »Wie heißen Sie, meine Liebe?«
»Stephanie.«
»Ich heiße Laura. Laura Minello.«
»Laura Minello. Der Name kommt mir bekannt vor. Sind Sie aus Burg?«
»Nö. Ich habe mein Leben lang in North Trenton gewohnt. Cherry Street. Früher war ich bei der Sozialversicherung beschäftigt. Dreiundzwanzig Jahre habe ich da gearbeitet, aber von daher werden Sie mich kaum kennen. Dafür sind Sie zu jung.«
Laura Minello. Von irgendwoher kannte ich sie, aber ich konnte sie nicht unterbringen.
Laura Minello wies auf eine rote Corvette, die vor
Barry’s Coffees
parkte. »Sehen Sie den schicken roten Wagen? Der gehört mir. Ziemlich elegant, was?«
Ich sah hinüber zu dem Auto, dann sah ich Laura Minello an, danach wieder das Auto. Nicht zu fassen! Ich kramte in meiner Umhängetasche, suchte nach den Unterlagen, die Connie mir gegeben hatte.
»Haben Sie den Wagen schon lange?«, fragte ich Laura.
»Seit ein paar Tagen.«
Ich zog die Unterlagen hervor und überflog die oberste Seite. Laura Minello, Alter vierundsiebzig, wohnhaft Residence Cherry Street, angeklagt wegen Autodiebstahls.
Die Wege des Herrn sind unergründlich.
»Die Corvette ist gestohlen, oder?«, fragte ich Minello.
»Ausgeliehen. Alte Menschen dürfen es sich erlauben, vorm Abkratzen noch mal auf den Putz zu hauen.«
Hätte ich mir doch bloß die Kautionsvereinbarung durchgelesen, bevor ich die Akte von Connie angenommen hatte. Niemals einen Auftrag annehmen, wenn der Kautionsflüchtling ein alter Mensch ist. Das ist immer eine Katastrophe. Alte Menschen sind auf ihre Bequemlichkeit bedacht. Und man macht sich zum Gespött, wenn man sie festnimmt.
»So ein Zufall aber auch«, sagte ich. »Ich arbeite nämlich für Vincent Plum, Ihren Kautionsmakler. Sie haben Ihren Gerichtstermin versäumt. Sie müssen einen neuen Termin vereinbaren.«
»Gut, aber nicht heute. Heute fahre ich nach Atlantic City. Machen Sie mir doch einfach einen Termin für nächste Woche.«
»So einfach geht das nicht.«
Ein Streifenwagen fuhr vorbei. Unmittelbar hinter der Corvette hielt er an, zwei Polizisten stiegen aus.
»Oh«, sagte Laura. »Das sieht nicht gut aus.«
Einer der Polizisten war Eddie Gazarra. Gazarra war mit meiner Nichte verheiratet, Shirley, der Heulsuse. Er überprüfte das Nummernschild des Sportwagens, schlenderte einmal um die Kiste herum, ging zurück zum Streifenwagen und sprach in sein Funkgerät.
»Scheißbullen«, sagte Laura. »Haben nichts Besseres zu tun, als Senioren zu belästigen. Verboten gehört so was.«
Ich klopfte an das Ladenfenster des Cafes, und es gelang mir, Gazarra auf mich aufmerksam zu
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