Heiße Hüpfer
lang nicht mehr richtig hören konnte. Ridcul y
vertrat die Ansicht, daß es an der Spitze der Ränge viel Platz gab, den er ganz für sich allein brauchte.
Ridcully bemerkte den hölzernen Gesichtsausdruck des Dekans. »Geht
es bei diesem ›Zwischenfal ‹ viel eicht darum, daß jemand eine ganz
bestimmte Seite herausriß und einen Bananengeruch zurückließ?«
»Gut geraten, Erzkanzler.«
Ridcully kratzte sich am Kinn. »Allmählich wird ein bestimmtes Muster
deutlich.«
»Er hat sich immer gegen jeden Versuch gesträubt, seinen Namen
herauszufinden«, sagte der Oberste Hirte. »Weil er befürchtete, von uns
in einen Menschen zurückverwandelt zu werden.« Er richtete einen
bedeutungsvollen Blick auf den Dekan, der eine beleidigte Miene
aufsetzte. » Gewisse Leute haben mehrmals darauf hingewiesen, ein Affe als Bibliothekar sei unpassend.«
»Ich habe nur zum Ausdruck gebracht, daß es gegen die Traditionen
der Universität verstößt…«, begann der Dekan.
»Die zum größten Teil daraus bestehen, zu meckern, üppige
Mahlzeiten zu genießen und mitten in der Nacht irgendwelche
dämlichen Dinge über Schlüssel zu rufen«, kommentierte Ridcul y. »Nun,
ich glaube nicht, daß wir…«
Die Gesichtsausdrücke der anderen Zauberer veranlaßten ihn, sich
umzudrehen.
Der Bibliothekar war im Flur erschienen. Er ging sehr langsam wegen
der vielen Kleidung, die er trug. Die enorme Menge aus Jacken und
Pullovern führte dazu, daß er die Arme nicht als zusätzliche Beine
benutzen konnte, sondern fast horizontal von sich strecken mußte.
Doch der gräßlichste Aspekt seines Erscheinungsbilds war die rote
Wollmütze.
Vermutlich sol te sie komisch aussehen, denn sie hatte auch einen
Bommel. Frau Allesweiß hatte sie gestrickt, und sie stand in dem Ruf,
mit Stricknadeln und dergleichen sehr gut umgehen zu können.
Allerdings versäumte sie es oft, die Maße des Empfängers zu
berücksichtigen. Mehrere Zauberer hatten bei der einen oder anderen
Gelegenheit ihre Kreationen geschenkt bekommen, die offenbar nach
der Maßgabe gefertigt waren, daß sie über drei Arme oder einen zwei
Meter breiten Hals verfügten. Die meisten Geschenke dieser Art wurden
heimlich Wohltätigkeitsvereinen überlassen. Eins konnte man getrost
über Ankh-Morpork sagen: Ganz gleich, wie unförmig und mißraten ein
Kleidungsstück war – es gab immer jemanden, dem es paßte.
In diesem Fall hatte Frau Allesweiß irrtümlicherweise angenommen,
daß der Bibliothekar, den sie sehr respektierte, Gefal en an einer roten
Bommelmütze mit Seitenklappen fand, die unter dem Kinn
zusammengebunden wurden. Allerdings hätte er sie im Bereich der
Leistengegend zusammenbinden müssen, deshalb zog er es vor, sie
einfach baumeln zu lassen.
Vor der Bibliothekstür blieb er stehen und wandte sich mit trauriger
Miene den Zauberern zu. Er griff nach dem Knauf, sagte mit leiser,
schwacher Stimme: »k« – und nieste.
Der Kleidungsstapel sank zu Boden. Die Zauberer räumten ihn
beiseite und fanden ein großes, dickes und in haariges rotes Leder
gebundenes Buch.
»Es steht Ugh auf dem Umschlag«, sagte der Oberste Hirte nach einer Weile. Seine Stimme klang seltsam gepreßt.
»Wird auch der Autor genannt?« fragte der Dekan.
»Das finde ich ziemlich geschmacklos«, meinte Ridcully.
»Ich dachte nur, wir könnten auf diese Weise vielleicht seinen Namen
feststellen.«
»Wie wär’s, wenn wir einen Blick hineinwerfen?« fragte der Professor
für unbestimmte Studien. »Möglicherweise gibt es ein Register.«
»Meldet sich jemand freiwillig dafür, in den Bibliothekar
hineinzusehen?« fragte Ridcully. »Ruft nicht alle gleichzeitig.«
»Die morphische Instabilität reagiert auf die Umgebung«, sagte Ponder.
»Ist das nicht faszinierend? Er gelangt in die Nähe der Bibliothek, und
daraufhin verwandelt er sich in ein Buch. Man könnte fast von…
schützender Tarnung sprechen. In einem autoevolutionären Prozeß
scheint er bemüht zu sein, sich anzupassen und…«
»Vielen Dank, Stibbons. Hat das al es einen Sinn?«
»Nun, ich nehme an, es ist tatsächlich möglich, einen Blick
hineinzuwerfen«, sagte Ponder. »Ein Buch ist schließlich dazu da,
geöffnet zu werden. Hier gibt es sogar ein Lesezeichen aus schwarzem
Leder, seht ihr?«
»Ach, das ist also ein Lesezeichen, wie?« entgegnete der Professor für unbestimmte Studien, der das Objekt argwöhnisch beobachtet hatte.
Ponder berührte das Buch. Es war warm.
Weitere Kostenlose Bücher