Heiße Küsse in Amarillo
auf den Daumen.
Normalerweise achtete er in Gegenwart einer Lady auf seine Ausdrucksweise, doch der rasende Schmerz ließ ihn seine guten Manieren vergessen. Laut fluchend ließ er den Hammer fallen und presste die Hand auf seine Brust, während Faith aufgescheucht im Wohnzimmer herumhüpfte, als ob sie einen indianischen Regentanz aufführte. Cooper starrte sie entgeistert an.
“Was, zum Teufel, war denn jetzt schon wieder los?”, fragte er, als der Schmerz sich allmählich in ein dumpfes Pochen verwandelte. Sein Daumen hatte sich dunkelblau verfärbt.
Faith blieb in der Mitte des Wohnzimmers stehen und suchte den Boden ab, als ob sie etwas verloren hätte. “Eine Maus. Sie hat versucht, mein Bein hinaufzuklettern.”
Na klar, dachte er verächtlich. In dem Augenblick, als er die Maus freigelassen hatte, hatte er gewusst, dass sie noch eine Menge Ärger machen würde.
Allerdings stellte er erleichtert fest, dass Faith bei all der Aufregung vermutlich nicht auf seine unfeine Ausdrucksweise geachtet hatte. “Bei dem Lärm, den du hier veranstaltet hast, hat sie sich sicher längst in ihrem Loch verkrochen, um eine mittelschwere Mäuseherzattacke auszukurieren”, stellte er nüchtern fest.
Faith bemerkte jetzt erst, dass Cooper sich verletzt hatte. “Was ist denn mit dir passiert?”
Schulterzuckend hielt er ihr den Daumen hin. Das Pochen in dem schmerzenden Finger wurde dadurch nur noch stärker. Er versuchte zwar, sich nichts anmerken zu lassen, aber er fühlte sich elend. “Ich habe den Nagel verfehlt.”
“Lass mich mal sehen.” Sie nahm seine Hand. “Ich bin schuld, dass du dir auf den Daumen geschlagen hast, nicht wahr? Es tut mir so leid.”
Die Berührung ihrer Hände, als sie seinen Daumen vorsichtig untersuchte, lenkte Cooper ein wenig von den Schmerzen ab.
Er schüttelte den Kopf. “Ich hatte nicht aufgepasst. Es wäre sowieso passiert”, log er. Wenn er zugab, dass sie recht hatte, würde sie sich noch schlechter fühlen. Eher würde er sich die Zunge abbeißen.
“Wo ist der Erste-Hilfe-Kasten?”, fragte sie. Immer noch hielt sie seinen verletzten Daumen in ihren weichen Händen.
“In …” Seine Kehle fühlte sich auf einmal so trocken an. Er räusperte sich. “In der Küche. Warum?”
“Der Finger muss gekühlt werden, damit er nicht noch mehr anschwillt.” Ohne ihn loszulassen, führte sie Cooper in die Küche. “Hast du noch so einen Eisbeutel?”
Er nickte stumm. In diesem Augenblick hätte sie ihn auch bei Windstärke zehn auf eine gefährliche Klippe führen können, er wäre ihr ohne Zögern gefolgt.
Sie wies auf den Tisch. “Setz dich dort auf die Holzkiste, und stütz deinen Ellbogen auf der Tischplatte ab. Ich möchte, dass du den Daumen ganz hoch hältst.”
Eigentlich hatte er ihr sagen wollen, dass sie sich keine Sorgen machen sollte, dass es nur ein leichter Schlag gewesen war und dass es schon fast gar nicht mehr wehtat. Stattdessen setzte er sich auf die Kiste und hob folgsam die Hand.
Während er ihr zusah, wie sie den Kühlbeutel vorbereitete, wurde ihm plötzlich klar, dass er gerade zum ersten Mal seit ihrer Ankunft die “echte” Faith vor sich hatte. Sie war ruhig, konzentriert und gefasst und hatte die Situation voll im Griff. In dem Moment, als sie bemerkt hatte, dass er verletzt war, hatte sie ihre eigene Panik unterdrückt und sich nur noch um ihn gekümmert. Und er konnte sehen, dass es ihr gefiel. Allerdings ging es ihm nicht anders.
“Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das tut, Cooper.” Behutsam legte sie den Eisbeutel auf seinen Daumen.
Beinahe hätte er aufgestöhnt. Schon allein ihre weichen, warmen Hände, die seine Hand hielten, machten ihn ganz nervös. Doch als er ihre samtige Stimme seinen Namen sagen hörte, geriet sein Blut in Wallung. Wie eine tosende Flut pulsierte es durch seine Adern.
“Es ist keine große Sache”, versicherte er ihr.
“Man sollte meinen, dass ich meine Aversion gegen Mäuse überwunden hätte, seit ich Percy in meiner Klasse hatte”, sagte sie kopfschüttelnd.
“Du bist Lehrerin?”
Sie nickte fast unmerklich und setzte sich zu ihm an den Tisch. “Ich habe in einer Grundschule unterrichtet.”
“Wie lange?”
“Sechs Jahre.” Sie blickte kurz auf ihre Hände hinunter, bevor sie ihm wieder in die Augen sah. “Als einer meiner Schüler in eine andere Stadt gezogen ist, hat er Percy der Klasse vermacht. Percy war eine weiße Maus und eigentlich ganz zahm.” Sie schüttelte sich.
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