Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
hier für Stunden stehen und in das Gesicht seines Bruders starren, und nie würde er es als Wirklichkeit akzeptieren können. Jerry war immer den Weg des geringsten Widerstandes gegangen und sicherlich alles andere als ein bewunderungswürdiger Ehrenmann gewesen. Aber er hatte auch immer nur so vor Leben und Energie gestrotzt. Langsam legte Jonas seine Hand auf die des Bruders. Jetzt war da kein Leben mehr, und es gab nichts mehr, was er tun konnte. Genauso langsam zog er seine Hand wieder zurück. Es schien so unwirklich, und doch war es wahr.
Moralas nickte seinem Gehilfen knapp zu. „Mein Beileid“, sagte er dann an Jonas gewandt.
Benommen schüttelte Jonas den Kopf. Wie ein stumpfes Messer fuhr der Schmerz durch seinen Schädel. Er versuchte, das stechende Pochen zu ignorieren. „Wer hat meinen Bruder umgebracht, Captain?“
„Das wissen wir noch nicht. Die Untersuchungen laufen.“
„Gibt es eine Spur?“
Moralas, der schon auf dem Korridor stand, zuckte ratlos mit den Schultern. „Ihr Bruder kam erst vor drei Wochen nach Cozumel, Mr Sharpe. Im Moment verhören wir jeden, der während dieser Zeit Kontakt mit ihm hatte.“ Er öffnete eine Tür und atmete tief die frische Luft ein, den Duft der See und der Blumen. Der Mann neben ihm schien den Wechsel der Szenerie gar nicht zu bemerken. „Ich versichere Ihnen, wir tun alles, um den Mörder Ihres Bruders zu finden.“
Die Wut, die Jonas schon seit so vielen Stunden eisern unter Kontrolle hielt, brach sich seinen Weg an die Oberfläche. „Ich kenne Sie nicht.“ Mit ruhiger Hand holte er eine Zigarettenschachtel hervor und zündete sich eine Zigarette an. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er den Polizisten. „Und Sie kannten Jerry nicht.“
„Das hier ist meine Insel.“ Moralas hielt Jonas’ Blick stand. „Wenn sich hier ein Mörder herumtreibt, werde ich ihn finden.“
„Ein Profi.“ Jonas blies Rauch aus, der bläulich in der schwülen Luft hängen blieb. „Das wissen wir doch beide, oder?“
Einen Moment lang sagte Moralas nichts. Er wartete noch auf Informationen über Jeremiah Sharpe. „Ihr Bruder wurde erschossen, Mr Sharpe. Unsere Untersuchungen zielen darauf ab herauszufinden, warum, wie und wer. Sie könnten uns helfen, wenn Sie mir etwas mehr über Ihren Bruder erzählten.“
Jones starrte auf die Tür, hinter der die Treppe und der Korridor lagen, die zum Leichnam seines Bruders führten. „Ich muss mich bewegen“, murmelte er.
Moralas schwieg, bis sie den Rasen überquert hatten, dann die Straße. Eine Weile gingen sie wortlos am Wasser entlang. „Weshalb kam Ihr Bruder nach Cozumel?“
„Ich weiß es nicht.“ Jonas inhalierte tief den Rauch. „Jerry mochte Palmen.“
„Was hat er geschäftlich gemacht? Sein Beruf?“
Mit einem trockenen Lachen trat Jonas die Zigarette aus. Sonnenlicht tanzte funkelnd wie Diamanten auf dem Meer. „Jerry zog es vor, sich als Freiberufler zu bezeichnen. In Wahrheit war er ein zielloser Herumtreiber, ein Vagabund.“ Der ebenso viel Ärger wie Freude in Jonas’ Leben geschaffen hatte. Mit leerem Blick starrte Jonas auf das Wasser hinaus, erinnerte sich an gemeinsame Jahre und unterschiedliche Ansichten. „Für Jerry hieß es immer nur, die nächste Stadt, der nächste Deal. Zum letzten Mal habe ich vor ungefähr zwei Wochen von ihm gehört. Angeblich gab er Tauchkurse für Touristen.“
„Der Black Coral Dive Shop.“ Moralas nickte bestätigend. „Elisabeth Palmer hatte ihn als Aushilfe eingestellt.“
„Palmer.“ Jonas’ Aufmerksamkeit galt nicht länger dem Wasser. „Das ist die Frau, mit der er zusammengelebt hat.“
„Miss Palmer hatte Ihrem Bruder ein Zimmer vermietet“, stellte Moralas nüchtern richtig. „Sie leitete die Tour, bei der der Leichnam Ihres Bruders entdeckt wurde. Sie hat ihre volle Kooperation mit den Behörden zugesichert.“
Jonas presste unwillkürlich die Lippen zusammen. Wie hatte Jerry diese Liz Palmer beschrieben? Eine sexy Lady, die tolle Tortillas machte. Sie schien genauso wie all die anderen eine von Jerrys Eroberungen zu sein, immer auf der Suche nach Spaß und dem großen Gewinn. „Ich brauche ihre Adresse.“ Auf den stumm fragenden Blick des Captain ergänzte er: „Ich nehme an, dass die Sachen meines Bruders noch bei ihr sind?“
„Richtig. In meinem Büro liegen zudem die Dinge, die Ihr Bruder bei sich hatte, als man ihn fand. Sie können sie jederzeit abholen, und natürlich die persönlichen Sachen, die noch bei Miss
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