Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
kannte man sie, hier wurde sie akzeptiert und respektiert. Niemand auf der Insel wusste von der Erniedrigung und dem Kummer, die sie hatte durchmachen müssen, bevor sie nach Mexiko geflohen war. Liz dachte auch nur selten daran, obwohl ihr eine ständige Erinnerung an diese Zeit geblieben war.
Faith. Allein der Gedanke an ihre Tochter zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. Faith war klein, springlebendig und aufgeweckt – und so weit weg. Nur noch sechs Wochen, dachte Liz, und dann würde sie für den Sommer nach Hause kommen.
Faith nach Houston zu den Großeltern zu schicken war eine gute Entscheidung gewesen. Jedes Mal, wenn Liz die Sehnsucht nach ihrer Tochter überkam, hielt sie sich das vor Augen. Eine gute Ausbildung hatte Vorrang vor den Bedürfnissen einer Mutter. Liz hatte geschuftet und sich abgestrampelt, um Faith alles bieten zu können, was ihr zustand. Worauf sie ein Recht gehabt hätte, wenn ihr Vater …
Entschieden unterbrach Liz sich. Nein, daran durfte sie gar nicht erst denken. Vor zehn Jahren hatte sie sich geschworen, dass sie Faiths Vater aus ihren Gedanken verbannen würde, so wie er sie aus seinem Leben verbannt hatte. Es war ein Fehler gewesen, begangen aus Naivität und Leidenschaft. Ein Fehler, der ihr ganzes Leben verändert hatte. Aber sie hatte etwas unbezahlbar Wertvolles dafür erhalten – Faith.
„Dort unten können Sie jetzt das Wrack einer Convair-Maschine für vierzig Passagiere liegen sehen.“ Liz verlangsamte die Fahrt, damit ihre Fahrgäste sich das Flugzeugwrack genauer ansehen und die Taucher sich ins Wasser hinablassen konnten. „Keine Sorge, hier ist keine Katastrophe passiert, sondern es wurde eine Filmszene gedreht. Das Wrack hat man dann liegen lassen, um Tauchern einen kleinen Nervenkitzel zu bieten.“
Das war auch ihr Job, erinnerte sie sich – nämlich für die Unterhaltung ihrer Gäste zu sorgen. Wenn sie zu zweit auf die Tour gingen, war das auch kein Problem. Doch allein musste sie jetzt das Ruder führen, Informationen in leichtem Plauderton vortragen, sich um die Schnorchelausrüstung kümmern, für den Lunch sorgen und die Anzahl der Köpfe im Auge behalten. Nur hatte sie nicht länger auf Jerry warten können.
Sie murmelte leicht gereizt vor sich hin und erhöhte das Tempo wieder. Vor der zusätzlichen Arbeit hatte sie keine Angst, das war es auch nicht, was sie ärgerte. Aber ihr Grundsatz lautete nun mal, dass ihre zahlenden Gäste ein Anrecht auf das Beste hatten, das sie ihnen bieten konnte. Sie hätte es besser wissen müssen, als sich auf Jerry zu verlassen. Es wäre nicht schwer gewesen, jemand anderen als Begleiter für die Tour zu organisieren. Schließlich hatte sie zwei Männer für die Taucherboote und noch zwei weitere Angestellte im Laden. Da aber das zweite Taucherboot gegen Mittag zur nächsten Tour aufbrechen sollte, war niemand für den Tagestrip mit dem Glasbodenboot frei gewesen. Und Jerry war ja auch schon vorher eingesprungen. Wenn er an Bord war, bezauberte er die weiblichen Passagiere derart, dass die Damen die bunt schillernde Unterwasserwelt wahrscheinlich gar nicht bemerkten.
Und wer sollte es ihnen verübeln können, dachte sie und lächelte jetzt schwach. Wäre sie nicht generell immun gegen Männer, würde sie Jerry vielleicht auch zu Füßen liegen. Die meisten Frauen hatten Probleme damit, dem dunklen forschen Typ zu widerstehen, vor allem, wenn auch noch Attribute wie Grübchen beim Lachen und funkelnde graue Augen hinzukamen. Addierte man zu dem Ganzen noch einen durchtrainierten muskulösen Körper und eine Portion unwiderstehlichen Charme, ergab sich daraus eine Mischung, vor der keine Frau sicher war.
Aber das war nicht der Grund, weshalb Liz Jerry ein Zimmer bei sich im Haus vermietet hatte. Oder warum sie ihm den Aushilfsjob geben hatte. Sie konnte das Extraeinkommen gut gebrauchen, und Bedarf an einem zusätzlichen Paar helfender Hände gab es immer. Außerdem erkannte sie jemanden, der zupacken konnte, wenn sie ihn vor sich sah. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass es im Geschäftsleben nur nützlich sein konnte, jemanden auf seiner Seite zu wissen, der Dinge in Bewegung setzte. Sie dachte noch, dass Jerry besser eine gute Entschuldigung für sein Nichterscheinen parat haben sollte, doch vorerst war das Thema für sie beendet.
Die Fahrt, die Sonne und die Brise wirkten entspannend auf sie. Liz erzählte weiter über das Leben unter Wasser. Dabei griff sie auf wissenschaftliche Fakten aus ihrem
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