Heiße Sonne der Verfuehrung
verließ den Raum, blieb auf der Veranda stehen und ließ sich auf die Stufen niedersinken. Er nahm seinen Kopf in die Hände. Dahreins Leiden traf ihn mit der Kraft eines Entermessers. Immer und immer wieder spielte sich der furchtbare Moment in seinem Kopf ab, dieser Bruchteil einer Sekunde an Unentschlossenheit, als zwei Menschenleben, die ihm so viel bedeuteten, sich in Gefahr befanden. Sein Magen drehte sich ihm um, der Geruch von Blut stieg ihm in die Nase. Lieber Gott, lass nur diesen Jungen nicht sterben, betete er.
Ran stand unvermittelt auf, verließ die Veranda und ging zu dem grasenden Pferd hinüber. Er schnappte sich die Zügel und stieg auf.
»Ran?«
Ran warf einen Blick zu Domingo hinüber. Das Pferd machte einen Ausfallschritt, bevor es seinem Herrn gehorchte. »In all den Jahren, in denen wir hier schon leben, Dom, habt Ihr da jemals miterlebt, dass ein Hai sich in diese kleine Bucht hineingewagt hat?« Ran riss die Zügel herum, das Tier preschte los und brachte ihn schnell zur Bucht.
An der felsigen Küste angekommen, suchte Ran die friedliche Umgebung ab. Er war sich nicht sicher, was er, abgesehen von einer blutigen Spur, wohl finden würde. Der tote Hai trieb im Wasser und klatschte mit jeder Welle gegen den glatten Felsblock, auf dem Dahrein Wache geschoben hatte. Die Steinformation befand sich auf der einen Seite des Beckens; zum Strand hin war die seichte Öffnung kaum von Wasser bedeckt, und zum Meer hin lag die Vertiefung in der Mole, wo bei Flut Wasser hineinfloss. Die einzige andere offene Stelle der Bucht führte am Rande der Mole in die kleine Bucht hinein. Da Ran keine Lust hatte, durchs Wasser zu waten, kletterte er auf den Felsen, sprang über den Spalt und wählte sich seinen Weg weiter unten auf der gekrümmten Landzunge, die die Bucht vom Meer trennte. Seine Stirn tief in Falten gelegt, stand Ran auf dem Felsen und schaute suchend hinter die Spitze der Mole. Das Wasser stieg kräftig an. Nichts scheint verändert zu sein, dachte er, wenn er auch bis zu diesem Zeitpunkt noch nie einen Grund gehabt hatte, hierher zu kommen.
Entmutigt setzte er sich auf einen Steinhaufen und ließ seinen Blick über die Küste, die Schiffe und die Klippen gleiten, die sich zu seiner Linken erhoben. Die Bucht war voll mit Schiffen, das dunkelblaue Wasser verdeckte deren Rümpfe und Anker. Haie waren noch nie gesichtet worden, was deren Existenz in dem warmen Wasser aber nicht ausschloss. Wenn der Hai jedoch durch den Kanal zwischen den Klippen und der Mole hineingekommen war, so … Ran verließ seinen Platz und schritt zu der Öffnung auf der Seite des Gezeitenbeckens hinüber. Er kletterte auf die Felsen, manövrierte sich über die Spitze und kam Schritt für Schritt näher an sein Ziel. Sein Blick glitt über das Wasser. Breitbeinig dastehend wartete er darauf, dass die Wellen ins Meer zurücktrieben. Sein Arm schoss nach vorn und er fluchte böse, als er die Überreste eines Lammes aus dem Wasser zog.
An dem Kadaver baumelte ein Seil, dessen Ende sicher mit einem Seemannsknoten an einem Felsen befestigt war.
Sein Blick verengte sich und richtete sich auf den Pfad, der zu dieser Stelle hinführte, als Domingo sich zu ihm gesellte.
»Ich habe Fußspuren gefunden«, teilte er ihm mit und wies mit dem Daumen hinter sich. »Sie hören direkt vor der Bucht auf.« Domingo schaute aufs Meer hinaus; seine Stimme klang vor Wut ganz heiser. »Sie sind deutlich zu erkennen, Ran.«
»Eure Meinung, Avilar?« Die Worte schossen heraus wie der Knall einer Peitsche.
Domingos Blick stieß mit Ransoms zusammen. »Der Gang des Bastards ist ungleichmäßig. Er zieht sein rechtes Bein ein wenig nach.«
Rans Augen nahmen einen wilden, primitiven, räuberischen Glanz an und streiften über das Terrain von Sanctuary. Lougière. »Trotzdem habe ich aber Lockewood gesehen, wie er sich von genau dieser Stelle hier entfernte«, zischte er und nickte zu dem Pfad hinüber, dem Domingo gefolgt war.
»Ihr glaubt also, die beiden haben das gemeinsam geplant?«
Ran schleuderte den Kadaver in den Sand. »Ich weiß es nicht, Dom, es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass Aurora diejenige gewesen ist, die sterben sollte und dass stattdessen Dahrein …«, seine Stimme stockte und er musste schlucken, »… in die Falle gegangen ist.«
»Was könnte sie schon getan haben, um das hier zu rechtfertigen?«, wollte Dom wissen, und beide Männer kletterten hinab, um die Spuren in der Nähe von Dahreins Ausguck zu
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