Heiße Sonne der Verführung
»Befehlt ihnen aufzuhören!«
Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. »Mit dem Dudelsackspielen?«
»Ja, ja, ja!« Sie bedeckte ihre Ohren, und ihre Qualen drangen wie kleine Pfeile in sein Herz.
»Aurora, das ist doch nur ein Gruß an ein versunkenes Schiff.«
»Es ist ein Lied der Heimat. Ich ertrage es nicht!«
Sofort ging Ran zur Tür und befahl einem vorbeikommenden Crewmitglied dafür zu sorgen, dass ihr Wunsch erfüllt wurde. Als er sich wieder zu ihr umdrehte, hockte sie auf ihren Knien, schaukelte hin und her, und umklammerte mit ihren Armen ihren Leib. Sie sah aus, als hätte sie körperliche Schmerzen. Er eilte zu ihr hinüber, sie wich jedoch vor ihm zurück und versteckte sich hinter einem Vorhang aus schwarzem Haar. Es zerriss ihm das Herz, sie so zu sehen, denn sie hatte bisher nichts anderes gezeigt als Stärke und Entschlossenheit.
»Das ist aber doch nicht alles, weswegen Ihr weint. Erzählt es mir, kleine Lady«, neckte er sie sanft, während er es sich neben ihr bequem machte.
»Meine Mutter.« Ein fast kindliches Wimmern.
»Und wo ist sie?«
»Tot, Ransom. Ermordet.« Sie zitterte völlig aufgebracht. »Ich kann noch immer ihr Gesicht sehen. Ich sollte es eigentlich nicht, nach so vielen Jahren, aber ich tue es.«
»Ist sie es, von der ihr träumt’?«
»Ja, o ja«, schluchzte sie, sich hin und her bewegend, und ihre Verzweiflung zerriss ihn in Stücke. »Sie wusste, dass sie kommen würden, Ransom, denn sie versteckte mich kurz davor in der Höhlung eines Baumes. Ich hörte, wie sie mit ihnen stritt und dann schrie, immer und immer wieder nach meinem Vater schrie.«
»Und wo war der?«
»Auf der Jagd, nehme ich an.« Sie zitterte heftig. »Es war ein schrecklicher Tod. Dieses Ungeheuer hat sie zerschnitten, Ransom.« Sie erhob ihren tränengefüllten Blick zu ihm. Er war verzerrt und trostlos. »Hat einfach das wunderschöne Gesicht meiner Mutter zerschnitten, ihr den Finger und ein Ohr abgehackt?« Ihre Lippen bebten, sie sah aus, als ob ihr übel würde, daher griff Ran nach einer Schüssel. Sie winkte jedoch ab und schaute kurz weg. »Nicht einmal dann hatte sie ihren Frieden gefunden, denn sie stöhnte mir zu, dass ich mich versteckt halten, bloß nicht hervorkommen sollte. Dann kam ein anderer Mann«, sie hielt neu aufkommende Tränen zurück, »und Mama sprach ihre letzten Worte zu ihm.«
»War es Euer Vater?«
»Nein. Aber Papa kam später zurück, und … und er wurde verrückt, Ransom, heulte wie eine Bestie der Untoten, zerrte an seinem Haar und zerkratzte sich das Gesicht. Ich hatte schreckliche Angst, denn das war nicht mein Vater, sondern ein wildes Tier. Niemals zuvor hatte ich ihn so … verwirrt gesehen.«
»Hat er denn nicht nach Euch gesucht?«
»Ich brachte kein Wort über die Lippen, um ihn zu rufen«, berichtete sie ihm, als wäre es ihre Schuld gewesen. »Er verschwand in die Wälder.« Sie senkte den Blick auf ihre Knie und flüsterte: »Und das war das Letzte, was ich von ihm gesehen habe.«
So allein gelassen zu werden, als sie am dringendsten jemanden gebraucht hätte. »Wie alt wart Ihr damals?«
»Drei oder vier.« Sie schniefte und zuckte mit den Schultern, als würde das keinen Unterschied machen. »Großmutter hat mich gefunden, glaub ich. Ich habe bis zu ihrem Tode bei ihr gelebt.« Ihre Stimme erstickte. »Dann bin ich weggegangen, um meinen Vater zu suchen. Auf Shokai bin ich gestoßen, als ich überfallen wurde von Dieben.«
»Was hat er denn in Schottland gemacht?«
Sie schaute ihn an. »Das war in England«, korrigierte sie ihn, »und wenn er gewollt hätte, dass ich etwas über seine Vergangenheit erfahre, so hätte er mir schon davon erzählt.«
»Warum sucht Ihr einen Vater, der Euch verlassen hat?«
»Er hat mich nicht verlassen!«, verteidigte sie ihn hitzig. »Er wusste ja nicht, dass ich in dem Baum saß und lebte, wahrscheinlich hat er geglaubt, dass ich entführt worden war.«
»Der Mörder hat mit Eurer Mutter gestritten?« Sie nickte, wobei sie ihn seltsam ansah. »Vielleicht kannte sie ihn oder sie?«
Aurora musterte ihn. »Was wollt Ihr damit sagen?«
Lieber hätte er sich den Daumen abgehackt als vorzuschlagen: »Vielleicht hat ja Euer Vater …«
»Nein, nein!« Sie warf sich auf ihn und bedeckte seinen Mund mit ihrer Hand. »Nein, sprecht es nicht aus, nein, Ransom! Sie liebten sich, sie liebten sich! So sehr sogar, dass sie ihre Familie für ihn aufgegeben hat!«
Ran legte seine Arme um sie herum und schaute in
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