Heiße Sonne der Verführung
dass er zu spät gekommen war. Mit ihrem letzten Atemzug in dieser Welt flehte sie ihn an, ihre Tochter zu beschützen, die im Fuße eines Baumes versteckt war.« Shokai seufzte, und seine Stimme wurde wieder stärker. »Ohne zu zögern brachte er das Kind in Sicherheit. Der Barbar kam von seiner Jagd zurück, fand seine Liebe niedergemetzelt und sein Kind entführt und floh in seinem Kummer in die Berge.«
Ran verglich die Geschichte mit dem, was Aurora ihm erzählt hatte, und er fragte sich, ob Shokai wohl gerade seine Rolle in ihrem Vermächtnis preisgegeben hatte.
»Das kleine Mädchen wurde in die Obhut einer Verwandten gegeben, in der Hoffnung, dass ein solches Heranwachsen von ihrer wahren und rechtmäßigen Vergangenheit ablenken würde. Der Gesandte hielt sich an den Wunsch der Kaiserin, blieb in der Nähe und beobachtete, wie das Kind zu einer Frau heranwuchs. Dann jedoch, als sie ihre gefährliche Reise begann, war er gezwungen, sich mit ihr bekannt zu machen.«
»Ihr wart der Gesandte.«
»Ah, sein Geist ist wohl doch nicht so klein«, entgegnete Shokai, ohne dabei aufzuschauen.
Am Eingang der Höhle stieß Aurora einen Seufzer aus. Ran schaute hoch und sprang auf. Sein Blick fiel hinter sie. »Wo ist Domingo?«
»Ich bin hier, Ran«, kam es von draußen, und Ran entspannte sich wieder. Aurora schoss ihm einen scharfen Blick zu, denn sie wollte noch immer nicht wahrhaben, dass sie diejenige war, die sich in Gefahr befand.
Ran behielt seine Wut für sich. Er hatte ihr ja noch nicht von dem Kadaver erzählt.
»Was ist mit Dahrein?«, fragte er sie hoffnungsvoll.
»Er wird leben, Ransom, und sein Bein behalten. Aber ich befürchte, er wird ein klein wenig hinken.«
Ran schluckte und schaute vor Erleichterung überwältigt weg. »Wer Dahrein kennt, der weiß, dass er kämpfen wird, um die Verletzung zu besiegen.«
»Ja, er wird nun mehrere Tage lang schlafen, hoffe ich, denn nichts wird den Schmerz lindern können, den er wird erleiden müssen, wenn er wieder aufwacht.«
»Du hörst so vieles heimlich mit an, dass dir demnächst Korn in den Ohren wachsen wird, mein Kind«, schimpfte Shokai mit Aurora. Ihr Blick fiel auf ihn, und sie tauschten stumm ihre Botschaften aus. Ran fühlte sich plötzlich wie ein Außenseiter.
»Du hast meine Mutter geliebt?«, fragte sie.
Er zuckte mit seinen schmalen Schultern.
»All die Jahre, und du hast mir nie etwas davon gesagt?«
»Du suchst einen Vater, keinen Träumer.«
Ran konnte sehen, dass Shokai sich bei dieser Frage unwohl fühlte. »Und du hast kaiserliches Blut in deinen Adern«, sagte er mit hochgezogener Augenbraue zu Aurora.
Sie schnaubte unfein. »Ich will nichts von einem Land, das seine Kaiserin töten würde.«
Noch immer schaute sie Shokai an. Aurora sah ihn nun mit anderen Augen, liebte ihn noch stärker als vorher. Sie ging zu ihm, beugte sich hinab und gab ihm einen Kuss mitten auf seinen Kopf. Er schaute verächtlich drein und wischte ihre Hand fort, ihren Blick jedoch wie ein liebender Vater erwidernd. Mit zusammengepressten Lippen verließ Aurora plötzlich die Höhle, und Domingo begleitete sie zum Haus zurück.
Connor Lockewood trat aus dem Dickicht hervor, starrte zu dem sich zurückziehenden Paar hinüber und dann zu dem Lichtschein, der aus der Höhle strahlte, bevor er sich wieder ins Unterholz zurückzog, seinen Blick auf Auroras Rücken geheftet.
Am Eingang der Höhle hielt Ran inne. »Was ist es, das Ihr nicht vor ihr aussprechen wolltet?«, fragte er leise, denn er konnte es in seinen Knochen spüren, dass Shokai ein weiteres wertvolles Stück Information verschwiegen hatte.
Shokai zog den gabelförmigen Kamm aus seinem Haar, und der Dutt wickelte sich langsam auf. »Ein sai« ,er zeigte darauf und schüttelte seinen Kopf, und die Kaskade langen grauen Haares gab ihm ein mächtiges Erscheinungsbild, düster und klug. »Schaut zu.« Shokai hielt den gezackten Kamm hoch und machte eine leichte Bewegung mit seinem Handgelenk. Rans Augen weiteten sich, als der Kamm durch die Höhle schoss und die dreigeteilte Spitze sich tief in eine Holzkiste bohrte.
Shokai fixierte Ransom. »Der Kopf des Nagels ist zum Vorschein gekommen, Mylord. Und er trägt eine alte Wunde, hier.« Er klatschte mit einer Hand auf die Hinterseite seines Oberschenkels und nickte gleichzeitig zu dem sai hin.
Cassiandras Mörder, dachte Ran. »Erwartet Ihr nun von mir, dass ich jede Menschenseele auf dieser Insel bitten werde, seine Kniehose
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