Heißer als der Wuestenwind
Bediensteter den Aufzug für sie anhielt, protestierte Zoes Körper dagegen, weiterzugehen. Beinahe wäre sie gestolpert, als Nadir sie sanft anstupste.
„Entspann dich“, flüsterte er, nachdem sie den Lift betreten hatten.
Ach ja, entspannen? Sagt der Scharfrichter zu dem Gefangenen, ehe er die Axt schwingt?
Zoe schloss die Augen und atmete zitternd ein. Sie traute Nadir nicht, obwohl sie es wollte. Schon der Gedanke war erschreckend, weil sie bisher kaum einem Mann vertraut hatte. Früher oder später hatten alle sie enttäuscht. Sie betrogen. Benutzt. Warum sollte Nadir anders sein?
Nervös warf sie einen Blick zu ihm, doch er sah sie nicht an. Sie wusste nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Um das herauszufinden, musste sie in seine Augen sehen. Sollte ein Funke von Freundlichkeit darin liegen, wüsste sie, dass alles gut verlaufen würde.
„Nadir?“ Ihr gefiel überhaupt nicht, wie ihre Stimme zitterte.
Er sah zur Anzeige, die ihm verriet, in welchem Stock sie waren. „Gleich wirst du deine beste Vorstellung geben.“
Sie hörte das Klingeln und trat einen Schritt zurück. Sie war nicht bereit, den Aufzug zu verlassen. Aber es gab kein Zurück, denn Nadir verstärkte seinen Griff um ihre Hand.
Bebend holte sie Luft und betete um ein Wunder. Als die Tür aufging, hob sie den Kopf, setzte ein höfliches Lächeln auf und trat hinaus.
In der kleinen Lobby war es still und fast menschenleer, weil die meisten Gäste im Innenhof auf sie warteten. Musik und Stimmen drangen von draußen herein.
„Zoe?“ Ihre Cousine Fatimah stand vor den Aufzügen. Sie trug einen aufsehenerregenden Kaftan in leuchtendem Rot.
Nein, nein, nein. Zoes Lächeln gefror. Ihre boshafte Cousine, die Nadir vielleicht noch einen zusätzlichen Grund liefern würde, sie zu verlassen, war das Letzte, was sie jetzt brauchte.
„Meine herzlichsten Glückwünsche zu deiner Hochzeit.“
„Danke, Fatimah“, sagte Zoe steif, weil sie wusste, wie falsch die Worte waren.
Fatimah warf Nadir einen verschlagenen Blick zu. „Und auch an Eure Hoheit. Ich bin so froh, dass Zoe Euch gefallen hat.“
Misstrauisch legte Zoe den Kopf schräg. Etwas im Ton ihrer Cousine verriet ihr, dass sie zum ersten Schlag ausholte.
„Aber das überrascht mich nicht“, fuhr Fatimah im Plauderton fort, ein böses Funkeln in den Augen. „Wenn man bedenkt, wie viel Erfahrung sie mit Männern hat.“
Zoe erstarrte. Die vernichtenden Worte ihrer Cousine hatten sie wie ein Peitschenhieb getroffen. Sie konnte nicht glauben, wie sehr Fatimah sie hasste.
„Du solltest sehr, sehr vorsichtig sein, Fatimah“, sagte Nadir mit gefährlich klingendem Unterton. „Alles, was gegen Zoe gerichtet ist, ist auch gegen mich gerichtet.“
Fatimah sah Nadir an, als hätte sie einen ihr unbekannten Gegner vor sich. „Ich verstehe nicht“, meinte sie süßlich.
„Dann lass es mich klar und deutlich sagen.“ Auch wenn er seine Stimme nicht erhob, klang er sehr bedrohlich. „Sollte es irgendwelche boshaften Gerüchte über Zoe geben, werde ich dich dafür verantwortlich machen.“
Entsetzt zuckte Fatimah zusammen. „Aber das ist nicht fair.“
Nadir zuckte die Schultern; es war ihm egal. „Ich bin ein verständnisvoller Mann, aber wenn man mir in die Quere kommt, kenne ich keine Gnade.“
Zoe klammerte sich an Nadirs Arm, als er Fatimah stehen ließ und mit seiner Frau weiter zum Innenhof ging.
„Deine Cousine wird versuchen, dir noch einen Schlag zu versetzen“, murmelte er, „aber ich habe ihr die Krallen gestutzt. Sie dürfte keine wahre Bedrohung mehr darstellen.“
„Danke“, erwiderte sie schwach, unsicher, was sie sagen oder tun sollte. Es war so lange her, dass jemand sie verteidigt hatte.
Sein Griff um ihre Hand verstärkte sich, sodass sie ihn ansehen musste. Seine Miene verriet nur Kälte, keinen Hauch von Weichheit. „Ich dachte, niemand wüsste davon.“
Zoe verspannte sich. Sie würde sich nichts vorwerfen lassen. „Ich habe nie jemandem ein Wort gesagt. Das wäre Selbstmord gewesen.“
„Dann hast du deinem Liebhaber wohl nicht genug bedeutet, dass er dich beschützt“, entgegnete er mit brutaler Ehrlichkeit. „Und du warst äußerst leichtsinnig.“
„Könnten wir das Thema im Moment fallen lassen?“, fragte sie, als die Geräusche aus dem Innenhof lauter wurden.
„Mit Vergnügen.“
Die Hochzeitsgäste warteten schon ungeduldig und begrüßten Zoe und Nadir mit Applaus. Zoe wäre am liebsten zurückgeblieben und
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