Heisser Draht nach Paradiso
(Nadelbäumen) und Blumenteppich. Aber der Baron hat ihn abgewürgt, weil wir erstmal wichtiger
waren. Während Klößchen mich vorstellte, hat Narbengesicht sich verzogen —
straßenwärts. Ein südländischer Typ. Schwarze Locken, regelmäßiges Gesicht,
kräftige Statur. Auf der linken Wange eine wulstige Narbe. Auffällig die
Heiserkeit der Stimme. Gutes Deutsch, aber — da bin ich mir sicher — mit
italienischer Färbung. Gekleidet war er wie... Naja, schicker Freizeit-Look.“
Klößchen nickte. „Den Eindruck
hatte ich auch — trotz meiner tränenden Augen.“
„Wie hast du Tim vorgestellt?“
fragte der Kommissar. Klößchen wußte es nicht mehr, aber Tims Erinnerung
funktionierte.
„Du hast gesagt, Willi: Das ist
mein Freund — der Anführer unserer TKKG-Bande. Ich glaube, du wolltest mich
auch namentlich bekannt machen. Aber dann kam der zweite Hustenanfall.
Schoko-Krümel spuckend, bist du fast erstickt.“
„Du hast mich auf den Rücken
gehauen“, bestätigte Klößchen, „und damit gerettet. Als erste Hilfe ist das
trotzdem nicht zu empfehlen. In dem Bereich kann ich nämlich die Wirbelsäule kaum
noch bewegen.“
Niemand lachte. Die Situation
war nicht danach.
Tim bemerkte, wie Glockners
Gesicht für einen Moment einzusinken schien. Bei aller Selbstbeherrschung nach
außen — die Sorge um Gaby höhlte aus.
„Kann ich ein Glas Wasser
haben?“ fragte er.
„Was du willst, Emil“, sagte
Klößchens Vater sofort. „Wein, Bier, einen Cognac zur Stärkung. Himmel, ich
kann nachfühlen, wie dir zu Mute ist. Aber Gaby wird nichts passieren. Weshalb
hätte der Mann sonst angerufen. Also nur Wasser, ja?“ Klößchen wetzte zur Küche
und war sehr rasch wieder da — mit Glas und Mineralwasser-Flasche auf kleinem
Tablett.
„Ich denke es ja auch“, nickte
Glockner zu Hermanns Worten. „Trotzdem! Bis Montagfrüh — das sind zwei Tage und
drei Nächte. Wie wird Gaby versorgt? Wie behandelt man sie? Überhaupt:
Montagfrüh! Weshalb so lange? Für einen Vorsprung — wie du, Tim, meinst —
erscheint mir das unsinnig. Es sei denn, die Ganoven haben für Montagfrüh einen
Flug gebucht und wollen weg ins Ausland. Meine Hoffnung ist, daß wir den Narbigen
identifizieren. Hattest du den Eindruck, Tim, daß Plätschlweiher ihn kennt?“
Der TKKG-Häuptling hob die
Achseln. „Was ich hörte, klang nach sachlichem Vortrag. Als wollte der Narbige
Garten-Zubehör verkaufen. Kein persönliches Wort. Aber das ganze war ja nur für
die Dauer von vier, fünf wortreichen Sätzen.“ Glockner leerte das Wasserglas.
„Vielleicht ist es besser, Hermann, wenn du hier bleibst. Ich weiß noch nicht,
wie ich den Baron anfassen muß. Wenn Härte erforderlich ist, könnte das euer
nachbarschaftliches Verhältnis beeinträchtigen.“
„Du meinst, Plätschl könnte
Auskünfte zurückhalten. Weil er den Narbigen kennt und schützen will. Das hieße
ja, Emil, Plätschl würde ein Verbrechen decken.“
„Wir wissen nicht, worum es
geht. Daß ein Verbrechen dahintersteckt, vermuten wir nur. Es kann sonstwas
sein — und dieser Narbige jemand, dem Plätschl verpflichtet ist.“
„Gut, ich bleibe hier“, sagte
Hermann.
„Aber ich komme mit“, sagte
Tim.
„Ich auch“, nickte Klößchen.
„Diesmal ohne Hustenanfall.“
8. Sackgasse
Das Schloß der Gartenpforte
funktionierte nicht richtig. Mit etwas Gewalt ließ es sich aufdrücken. Für Tim
kein Problem.
Die Einfahrt daneben war
geschlossen. In der Doppelgarage standen — wie Tim gestern gesehen hatte — ein
ungewaschener Mittelklasse-Wagen sowie ein Rasenmäher. Für ein zweites Auto war
Platz. Doch mit diesem Fahrzeug war Emely sicherlich nach Lugano gerollt.
Hugo von Plätschlweiher war zu
Hause, stützte sich auf einen Spazierstock mit Hirschhorngriff und trug eine
buntbestickte Seidenweste über dem Hemd.
Ein schwerer, dicklicher Mann
mit weichem Speck auf den Rippen. Das Gesicht hatte keine aristokratischen
Züge, erinnerte eher an einen Metzgermeister mit Bluthochdruck. Unter der
Knubbelnase hing ein grauer Schnauzbart.
Plätschl schob die dicken
Brauen nach oben, was Erstaunen ausdrückte. Offenbar freute er sich aufs
Fernseh-Programm und war etwas ungehalten über den unangemeldeten Besuch.
Glockner wies sich aus und
erklärte, es ginge um eine Personen-Auskunft.
„Bitte, kommen Sie doch rein“,
sagte Plätschl mit Mühe. Lieber hätte er ihnen die Tür vor der Nase zugemacht.
Das Terrassenzimmer war üppig
möbliert.
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