Heisser Draht nach Paradiso
schreien.“
„Gut! Wo sind die Misttypen?“
„Wer?“
„Versuchen Sie nicht, uns für
dumm zu verkaufen. Wir wissen genau, daß Sie die vier abgeholt haben — vom
Bahnhof. Sie sind mit Ihnen hierher gefahren. Also?“
„Sie meinen die Kinder? Um
Gottes willen! Was wollen Sie von ihnen — von meinem Sohn und seinen Freunden?“
„Einen schönen Sohn haben sie
da. Einen Verbrecher. Im Zug haben uns die vier überfallen, nachts im Schlaf ab
teil. Haben uns betäubt, haben uns bestohlen, beraubt. Unser Vermögen haben sie
entwendet. Also, wo sind sie?“
„Aber...“, Erna stotterte. „Das
ist... ist völlig unmöglich. Niemals täten die das. Niemals! Sie irren sich.
Eine Verwechslung. Wenn...“
„Sie scheinen nichts davon zu
wissen“, fiel er ihr ins Wort. „Aber das besagt gar nichts. Welche Eltern
wissen denn, was ihre Kinder treiben? Das — ah! — erfahren sie erst, wenn die
Polizei zugreift. Also, wo sind die vier?“
„Nicht hier. Unterwegs. Ein
Ausflug. Sie kommen erst heute abend zurück.“
„Um so besser. Dann werden wir
ihr Gepäck durchsuchen.“ Erna machte ein energisches Gesicht. „Das lasse ich
nicht zu. Hier in meinem Haus... Überhaupt: Wie kommen Sie mir vor? Wenn Ihnen
Unrecht geschehen ist, dann holen Sie die Polizei. Statt dessen bedrohen Sie
mich. Mit Schußwaffen. Sie werden schon wissen, weshalb Sie Ihre Gesichter
nicht zeigen. Aber ich...“
Erschrocken wich sie zurück.
Einer der Maskierten hatte
drohend seine Waffe gehoben. Woher sollte Erna wissen, daß die nicht geladen
war? „Sperrt sie in den Keller“, sagte Paccalone, der Wortführer, zu seinem
Komplizen. „Irgend einen Raum werdet ihr schon finden — einen, der gut als
Gefängnis dient.“
„Ich protestiere!“ rief Erna.
Aber das nützte ihr nichts.
Mit sanfter Gewalt wurde sie in
den Keller bugsiert.
Hermann Sauerlichs Weinkeller —
ein kühles, dunkles Gewölbe — hatte eine Gittertür, um Diebe fernzuhalten.
Anstelle des Fensters hatte der Raum nur einen Luftschacht.
Hinter Klößchens Mutter kratzte
der Schlüssel im Schloß. Eingesperrt.
Vinelli nahm den Schlüssel mit.
Im Terrassenzimmer legte er ihn auf den Tisch.
Japsend entledigten sich die
drei ihrer Masken.
Dann begann die Suche nach 440
000 Franken und Plätschlweihers Schmuck. Erst durchsuchten die Ganoven das
Gepäck der TKKG-Bande. Fehlanzeige. Doch sie ließen nicht locker. Innerhalb der
nächsten Stunde stellten sie das Haus auf den Kopf.
*
Es wurde heißer. Die Straßen
belebten sich. Auf dem See fuhren Schiffe. Die TKKG-Bande radelte. Die Richtung
war nicht zu verfehlen. Tim, der mit Gaby anführte, achtete vor allem auf den
immer dichter werdenden Verkehr.
Ein paradiesischer Ferienort,
aber überschwemmt von Menschenmassen, die in ungezählten Bussen herangekarrt
wurden und wie Heuschreckenschwärme über die engen Straßen der Altstadt
herfielen. Freilich — für die Befriedigung der Gefräßigkeit war gesorgt: jedes
zweite Haus ein Restaurant.
Immer am Ufer entlang. Auch Tim
tropfte der Schweiß von der Stirn. Dann führte die Straße landeinwärts,
umrundete den Parco Ciani und den Lido, das städtische Schwimmbad. Weiter
ging’s dann wieder in Seenähe. Nicht mehr weit bis Castagnola.
„Heiß, aber schön“, sagte Gaby
zu Tims Hinterkopf. „Ich muß mir noch eine Sonnenmilch besorgen mit hohem
Schutzfaktor. Sonst verbrennt mir die Haut.“
„Unbedingt“, gab er über die
Schulter zurück. „Als Blondine bist du gefährdet. Willi genauso. Ich hab’s da
einfacher. Sonnenbrand kenne ich nicht. Und... Achtung!“ unterbrach er sich
selbst. „Wir sind da. Die Via Rocco-Foletti beginnt hier.“
Beide traten auf die
Rücktrittbremse des Tandems und stiegen ab.
Karl und Klößchen schlossen
auf.
Die TKKG-Bande beäugte die
Straße, die hier von der breit verlaufenden Ufer-Fahrbahn abzweigte.
Schmal und windungsreich
kletterte die Rocco-Foletti bergan. Nette Häuser, aber keine prachtvollen
Villen. Einige Handwerksbetriebe hatten sich angesiedelt.
„Tu mir einen Gefallen, Tim“,
japste Klößchen. „Laß uns bergwärts schieben. Vielleicht wohnt Florentine
Paccalone ganz oben.“
Er sollte recht behalten. Kehre
auf Kehre folgte, aber keine Kfz-Werkstatt.
Ein herrlicher Blick hinunter
zum See.
Für einen Moment bestaunten
alle das jenseitige Ufer der Bucht, wo der Ortsteil Paradiso in der Morgensonne
badete. Unmittelbar am Ufer dort und unübersehbar: das Grandhotel Eden mit
seiner
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