Heisser Draht nach Paradiso
Blei.
„Phantastisch, was deine Eltern
erworben haben“, meinte Karl. Und schätzte die Grundstücks-Größe. „Fast 1000
Quadratmeter, wie? Und in dieser Lage! Ein Juwel. Wir können auf den See sehen
— über die Dächer. Dort unten liegt das Grand-Hotel Eden. Weltberühmt. Und
drüben auf der anderen Seite der Bucht — unter dem Berg Monte Bre: das müßte
Castagnola sein. Habe ich recht?“
Klößchen, der keine Ahnung
hatte, nickte sehr allgemein.
Tim stand am Beckenrand. Das
Wasser war klar, das Becken hellblau gekachelt. Morgenwind, sehr lau, bewegte
die Oberfläche und hatte eine Biene hineingeweht.
Tim kniete und angelte sie
heraus.
Der kleine Honigsauger lebte.
Tim setzte ihn zum Trocknen auf einen Stein.
„Ich würde gern eine Runde
schwimmen“, meinte der TKKG-Häuptling. „Das streckt die Glieder — nach dem
Geratze auf der Schlafwagenpritsche.“
„Vor dem Frühstück?“ fragte
Klößchen.
„Klar. Einen Moment dauert’s
doch noch. Oder ist deine Mutter schon fertig?“
„In zehn Minuten“, rief Erna
aus der Küche, wo sie mitgehört hatte.
Die TKKG-Bande stürmte ins Haus
und die Treppe hinauf. Gästezimmer im Obergeschoß. Das größere hatten die Jungs
bezogen. Gaby, nebenan, schlief natürlich allein, froh darüber, daß kein
Schnarcher sie stören würde.
Umziehen wie der Blitz. Gabys
roter Bikini paßte zum silbrigen Morgenlicht. Klößchen trug Schimmshorts der
Größe XL-lila mit weißen Streifen.
Nach kurzer Abkühlung hechtete
Tim in das Becken. Wie das munter machte! Das Wasser war frisch und
leitung-sauber.
Tim kraulte Runde um Runde,
sprintete dann im Butterfly-Stil, bis die Lunge brannte.
Seine Freunde ließen es ruhiger
angehen. Klößchen lag meistens auf dem Rücken und schwamm ,Toter Mann’,
zweifellos die bequemste Lage im Wasser.
„Frühstück!“ rief Erna.
Sie hatte auf der Terrasse
gedeckt. Sogar eine mit Blumen gefüllte Vase stand auf dem Tisch.
*
Tim hatte die Parole
ausgegeben: Um Klößchens Mutter nicht zu beunruhigen — kein Wort über die
geplanten Nachforschungen hier in Lugano.
Freilich: Sie erzählten, was
Gaby widerfahren war in der Privatbank Seidl & Brinkheym. Und wie den
Plätschlweiher das Schicksal getroffen hatte mit hartem Schlag. Doch das mußte
genügen. Dann kam die Rede auf Herrn Klümpli von Pahl.
„Ihr werdet sicherlich nicht
nur schwimmen“, lächelte Erna Sauerlich und nahm einen Teelöffel voll von ihrem
Joghurt.
„Deshalb habe ich Fahrräder für
euch besorgt. Zwei. Man kann sie leihen bei einem hiesigen Fachgeschäft.“
„Stark, Mama“, lobte Klößchen.
„Sagen wir: halbstark, denn du hättest ruhig vier nehmen können. Wenn wir
losachsen, dann doch immer im Rudel.“
„Zwei Fahrräder mit vier Sitzen“,
gab Erna zurück. „Tandems.“
„Wirklich stark!“ rief ihr
Sohn. „Karl und ich können uns einigen auf ein ungefährliches Tempo. Nur mit
Tim ist es schwierig. Er hat’s immer eilig.“
„Damit“, lachte der
TKKG-Häuptling, „ist die Sitzordnung festgelegt. Gaby, wenn du müde wirst,
strampele ich für dich mit.“
Er sah auf die Uhr. Fast
sieben. Im Osten schob sich die Sonne über die Gipfel. Goldene Patina überzog
den See. Auf dem Westufer blitzten alle Fensterscheiben. Die ersten Motorboote
flitzten über das Wasser. Auf allen Terrassen prangten Sonnenschirme in
südlichen Farben.
Nur Klößchen frühstückte noch.
Er hatte sich Kakao gewünscht und tunkte heimlich — wenn seine Mutter nicht
hinsah — einen Schoko-Riegel hinein.
Gaby und Karl halfen beim
Abräumen. Anstandshalber trug auch Tim zwei Teller in die Küche, aber dann zog
das Luganer Telefonbuch sein Interesse an — magisch.
Auf der kühlen Lederbank im
Terrassenraum begann er zu blättern.
„Suchst du nach Prominenten?“
fragte Erna im Vorbeigehen. „Von denen wohnen hier viele. Schauspieler vor
allem.“
„Mich fesseln die Namen, Frau
Sauerlich. Fremde Namen, fremde Bezeichnungen. Überhaupt: Ein Telefonbuch
verrät doch viel über eine Stadt.“
Gaby setzte sich zu ihm. „P...
P... P... Pacca... Nun such schon!“
„Weißt du, ob mit C oder K? Mit
einem Konsonanten oder mit doppeltem?“
„C — natürlich. Wir sind auf
italienischem Sprachgebiet. Und doppelt.“
„Dachte ich auch“, nickte er.
„Hier! Paccalone — Ricardo, Castagnola, Via Rocco-Foletti: Garage e
riparazioni. Scheint eine Reparatur-Werkstatt zu sein. Immerhin was
Technisches. Und sonst gibt’s keinen Pacca...“
Beim
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