Heisser Draht nach Paradiso
Hof, wo die Blonde jetzt den Motor abstellte.
„Wißt ihr... wißt ihr, wer das
ist?“ Dick saß Klößchen das Staunen im Hals. „Nee, woher sollt ihr auch. Aber
ich — ich kenne sie. Das ist nämlich unsere Nachbarin, die Baronin Emely von
Plätschlweiher.“
20. Worüber streiten die
Weiber?
Vier Augenpaare beobachteten.
Vier Gehirne überlegten.
Was will die hier? fragte sich
Tim. Ist an ihrem Auto was kaputt? Oder kennt man sich, wie Deutsche im Ausland
sich kennen, wenn sie im selben Ort ansässig sind? Immerhin — Florentine und
die Baronin stammen aus unserer Stadt, also eine örtliche Gemeinsamkeit.
Emely war ausgestiegen.
Jetzt sah man, daß sie modische
Damenshorts trug, weiß und bis knapp übers Knie. Offenbar hatte sie kräftige
Waden.
Zielstrebig ging sie zum Haus.
Doch die Tür war verschlossen.
Pochen und Klingeln half
nichts. Niemand öffnete, nichts rührte sich. Allerdings — im ersten und zweiten
Stock waren einige Fenster geöffnet.
„Es scheint niemand zu Hause zu
sein“, bemerkte Klößchen scharfsinnig.
Emely setzte sich in den Wagen
und polierte ihre Sonnenbrille. Dann zündete die Dame eine Zigarette an, stieg
wieder aus und begann auf und ab zu laufen.
„Sie ist nervös“, sagte
Klößchen. „Hat wahrscheinlich schlecht geschlafen. Hitze verträgt eben nicht
jeder. Außerdem — da wette ich — hat der Plätschl längst angerufen. Emely, der
Schmuck ist weg! Ein Schock für die Frau. Das drückt auf die Laune.“
„Jemand kommt“, sagte Tim.
Er hatte einen Motor gehört. Es
war ein etwas klappriger Fiat, der jetzt auf den Hof fuhr.
Eine schlanke Frau stieg aus —
in Jeans und weißem Blazer mit hochgerollten Ärmeln. Sie hatte langes rotes
Haar.
Ein freundlicher Händedruck
zwischen den beiden. Sie redeten. Aber leider war die Entfernung zu groß, die
TKKG-Bande konnte nichts verstehen.
Die Rothaarige redete immer
heftiger, gestikulierte wild, deutete hierhin und dorthin, und Emely schien
langsam zu erstarren. Jedenfalls verharrte sie in einer links-schiefen Haltung,
was völlig unnatürlich aussah.
Dann begann die Baronin zu
schreien, schrill und laut.
„...Nein!...Das glaube ich
nicht!...Ihr Halunken!...Ist doch ein Trick!... Ihr wollt uns verarschen... Ich
akzeptiere das nicht...“
„Wenigstens das versteht man“,
meinte Gaby. „Aber worüber streiten sie? War die Kfz-Rechnung zu hoch? Der
Baronin merkt man an, daß sie keine geborene Adelige ist. Igitt, wie
gewöhnlich!“
Tim lachte.
Im selben Moment bemerkte er
eine Bewegung im Wagen.
Da war noch jemand drin, auf
dem Fahrersitz, also auf der abgewandten Seite. Die Windschutzscheibe spiegelte
in der Sonne. Von hier oben konnte man nicht hineinsehen.
Doch jetzt stieg die Person
aus.
„Mich laust der Affe!“ sagte
Karl.
Pauline Angermann! Sie trug ein
helles Sommerkostüm, wirkte leidlich frisch und noch adretter als neulich nacht
in der Bank.
Die Oma kam um den Wagen herum.
Die streitenden Weiber
beachteten sie nicht.
Begütigend legte Pauline der
Rothaarigen die Hand auf den Arm.
„Das scheint Florentine zu
sein“, mutmaßte Tim. „Und da die Oma angereist ist, liegt offenbar keine
Verfeindung vor. Deshalb hat Pauline also nicht gelogen. Höchst undurchsichtig,
wirklich höchst undurchsichtig!“
Die rothaarige Florentine
gestikulierte nun nicht mehr.
Auch die Baronin hatte ihre
Schrillstimme wieder auf Normalstärke heruntergeschraubt. Doch an der
Erbostheit änderte sich nichts.
Abrupt wandte Emely sich ab und
lief zu ihrem Roadster. Dort drehte sie sich um und machte jene Geste, die der
Italiener mit den Worten ,Va fa ‘n Culo!’ (Leck mich am A…!) begleitet:
angewinkelter Arm mit vorgestreckter Faust, die andere Hand auf den Bizeps
gelegt.
Florentine reagierte, indem sie
den Mund öffnete und den Daumen von innen an die Oberzähne drückte: ,Và al
Diavolo!’ (Scher’ dich zum Teufel!)
„Wirklich keine Kinderstube“,
meinte Gaby.
„Und ein sehr fragwürdiges
Temperament“, stellte Karl fest.
Emely warf sich hinters
Lenkrad. Ihr Abgang war großartig.
Sie mußte um den Fiat
herumfahren, trat zu heftig aufs Gas und verriß gleichzeitig das Lenkrad.
Die Wagen schrammten
aneinander. Blech wimmerte. Dann vollendete der Roadster den Bogen und preschte
durchs Tor hinaus.
Vom Fiat fiel die vordere
Stoßstange ab — ganz langsam, als zögere sie.
Kleeeennnnnng...! Jetzt lag sie
auf dem Asphalt.
Die vier Freunde prusteten los,
aber leise genug, um nicht auf
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