Heisser Draht nach Paradiso
sich aufmerksam zu machen.
„Die Freundschaft hat eben
einen Riß gekriegt“, meinte Gaby. „Worüber haben die gestritten?“
„Vielleicht kommen wir dahinter“,
sagte Tim, „wenn wir die Plätschl besuchen. Ist ja schließlich unsere Pflicht,
daß wir ihr das Paket heute bringen. Dabei werden wir der Dame auf den Zahn
fühlen mit vorsichtigen Fragen.“
Auf dem Hof unten wurde
Paulines Gepäck ausgepackt: zwei Koffer, eine Tasche.
Offenbar wollte die Oma nicht
nur für zwei Tage bleiben.
Die beiden Frauen gingen ins
Haus.
Auf dem Hof geschah nichts
mehr.
Die Stoßstange lag vor dem
Fiat. Einmal zeigte sich Florentine an einem der Fenster. Dann breitete sich
Ereignislosigkeit über das Paccalone-Grundstück.
Nach längerem Warten zog die
TKKG-Bande ab.
*
Auf der Rückfahrt machten sie
einen Abstecher durch die Altstadt.
Klößchen zeigte seinen Freunden
die Piazza Riforma, den schönsten Platz von Lugano, wo man sich trifft bis spät
in die Nacht hinein.
Rundum vor den alten Häusern
reiht sich ein Café ans andere. Viele Stühle im Freien waren schon besetzt.
Bunte Jalousien schützten vor der Sonne, die Kellner waren noch frisch oder
unausgeschlafen.
Durst meldete sich. Was
unvermeidlich ist bei tropischen Temperaturen. Also gönnten sich die vier einen
kühlenden Trunk. Und Klößchen vertilgte in kürzester Zeit einen Eisbecher.
Zurück den ganzen Weg.
Unentwegt dachte Tim an das, was sie beobachtet hatten. Pauline Angermann hier
— die aufgebrachte Baronin eine Florentine, die durch irgendwas deren Zorn
ausgelöst hatte... Wie hingen die Personen zusammen? Was steckte dahinter?
„Wir fahren jetzt einen etwas
anderen Weg“, rief Klößchen, als sie die Uferstraße entlang radelten. „Über die
Riva Paradiso und vorbei am Grandhotel Eden.“
„Ist das kürzer?“ fragte Tim.
„Gleich lang, aber anders.
Länger in Seenähe.“
Kurz vor dem EDEN endet die mit
Bäumen bestandene Uferpromenade. Ein Rondell mit Springbrunnen, in dem
Touristen sich die Füße kühlen — dann türmen sich auch schon die fünf
Stockwerke der Wohnwabe EDEN auf: zu beiden Seiten der Straße, also unterteilt.
Selbstverständlich haben beide Häuser eine Verbindung miteinander. Sie verläuft
unter der Straße als prunkvolle Passage — aber nur für Hotelgäste.
Beim Springbrunnen hielten die
vier.
Klößchen machte auf eine
Steinfigur aufmerksam, deutete dann über die Straße zum Hotel-Portal und wollte
was sagen.
Statt dessen klappte er den
Mund wieder zu, und der Arm sank herab. Klößchen glubschte durch seine
Sonnenbrille, und Tim kapierte sofort.
Er folgte dem Blick und
erkannte die beiden Typen: den Großen mit hellblondem Bürstenschnitt und grobem
Gesicht. Der Kleinere hatte schwarze Bartschatten und zappelte ständig mit den
Händen herum.
Gestern abend im Speisewagen,
dachte Tim. Da saßen die auch. Weshalb ist Willi so baff?
Das Duo blieb auf seiner
Straßenseite, setzte Sonnenbrillen auf und schlenderte ortseinwärts.
„O Mann!“ sagte Klößchen.
„Jetzt fällt es mir ein.“
„Was?“ fragte Tim.
„Leider erst jetzt. Zum
neunschwänzigen Satan! Ich weiß, woran das lag. Erstens war ich so verdammt
müde. Zweitens ist Gaby schuld. Mit ihrem Band an meinem Zeh hat sie mir meine
sonst so blitzartige Geistesgegenwart abgeschnürt. Ist klar, wie? Das muß doch
jeder begreifen.“
„Wie bitte?“ fragte Gaby. „Was
habe ich dir abgeschnürt, du Schnarch-Monster? Woran bin ich schuld?“
„Also“, sagte Klößchen, „das
war so: Wie ich letzte Nacht zum Klo gehe, pralle ich versehentlich mit zwei
Typen zusammen. Den beiden dort drüben. Die kamen gerade aus unserem
Nachbarabteil. Und hatten Gepäck bei sich. Bei dem Anprall ist dem
Schwarzhaarigen was runtergefallen. Ich bin nämlich wie eine Lokomotive, wie
ein Rammbock — wenn ich mich zielstrebig bewege. Runtergefallen ist ihm also
was. Ich hab’s auch noch aufgehoben und gedacht, es sei seine Uhr.“
Ahnungsvoll sagte Tim: „Die
war’s aber nicht?“
„Nein.“
„Sondern?“
„Ehrlich! Ich habe überhaupt
nicht mehr daran gedacht. Wegen meiner Müdigkeit. Wir hatten ja wirklich wenig
Schlaf.“
„Inzwischen hast du geschwommen
und gefrühstückt, und es ist hellichter Vormittag. Deine blitzartige
Geistesgegenwart hätte zurückkehren können. Also: Was war runtergefallen?“
„Plätschls Daumen-Armband.“
Klößchen legte den Kopf auf die
Schulter und blickte verlegen zu Boden.
„Wie bitte?“
„Ich
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