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Heißer Schlaf

Heißer Schlaf

Titel: Heißer Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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hinein.
    Durch eine lange, ovale Öffnung in der Decke fiel grelles Sonnenlicht herein. Stipock brauchte eine Weile, um sich an das Licht zu gewöhnen. Als er wieder sehen konnte, stieß er einen unterdrückten Schrei aus. Die lange Röhre, in der die Särge aufgereiht gewesen waren, lag in Trümmern. Alles Metall war geschmolzen, und durch die Röhre war eine saubere Schneise geschnitten. In dieser Sektion konnte kein Passagier überlebt haben. »Was ist passiert?« flüsterte Stipock.
    »Ein feindliches Schiff. Genau genommen zwei. Ich hatte die Wahl: entweder einen Treffer im Antrieb, wobei das ganze Schiff verdampft wäre, oder in dieser Sektion, und dabei zu hoffen, daß wenigstens einige überleben würden.«
    »Pest oder Cholera«, sagte Stipock. »Wurde auch eine der anderen beiden Röhren getroffen?«
    »In Röhre C wurde das Lebenserhaltungssystem durch die Hitze des Projektils zerstört«, sagte Jazz. Stipock fiel auf, daß der Pilot bei der Formulierung einiger Worte und Sätze Schwierigkeiten hatte, als ob er es nicht gewohnt sei, die Ausdrücke zu benutzen.
    »Ich war in Röhre B?«
    Jazz lächelte geduldig. »Ist das nicht offensichtlich?«
    Dann ging Worthing in die zerstörte Röhre hinein, und Stipock folgte ihm. Vorsichtig gingen sie die Röhre entlang. Stipock schaute nach oben, als sie unter dem Riß in der Decke hindurchgingen. Die Sonne blendete ihn. Er sah weg und nahm die Hände vor die Augen. Ein purpurner Fleck nahm ihm teilweise die Sicht. »Nicht in die Sonne sehen«, sagte Jazz.
    Sie gingen bis ans Ende der Röhre und brauchten keine Tür zu öffnen, denn das vom Projektil gerissene Loch war breit genug. Sie kletterten hindurch, und Stipock war entsetzt von dem, was er sah – die Aufzeichnungsanlage war durch die Hitze zusammengeschmolzen. »Die Gedächtnisaufzeichnungen«, sagte er. »Sehen Sie sich das an – das ist ja entsetzlich.«
    Jazz zeigte Stipock mit dem Fuß das leere Fach im Regal für die Bänder der Röhre B unten ganz rechts. »Dort lag das einzige Band der Röhre B, das noch zu gebrauchen war.«
    »Meins.«
    »Auch das ist wohl offensichtlich.«
    Stipock lehnte sich gegen die Wand. »Aber was ist mit den anderen? Sie haben kein Gedächtnis mehr, keine Ausbildung, keine Erziehung. Sie sind wie Kinder. Was können wir tun?«
    »Ist alles schon getan.«
    Stipock war erstaunt. »Aber wie? Wenn Sie die Bänder nicht hatten – Sie sagten, ich wurde als letzter geweckt! Warum? Wie lange haben Sie mich nach der Landung schlafen lassen?«
    »Achtundfünfzig Jahre.«
    Es war einfach zuviel, als daß man es sofort begreifen konnte. Schlimm genug, aus dem Somec-Schlaf aufzuwachen und festzustellen, daß die Erinnerung an die letzte Wachperiode ausgelöscht war, daß man sich in den Kolonien befand und daß man bis zum Tode unwiderruflich kein Somec mehr bekam – damit hatte er gerechnet, er hatte das Risiko gekannt, als er sich der Verschwörung anschloß. Aber der Tod von zwei Dritteln der Kolonisten bei einem Kampf im Weltraum und der Verlust aller Bänder der Überlebenden außer seinem eigenen …
    Und warum hatte man ihn achtundfünfzig Jahre schlafen lassen?
    »Es war keine leichte Entscheidung«, beantwortete Jazz Stipocks unausgesprochene Frage. »Ein dutzendmal bin ich im ersten Jahr zum Sternenturm – zum Schiff – gegangen, um Sie zu wecken. Ich brauchte Ihre Hilfe.«
    »Und warum haben Sie mich denn nicht geweckt? Weil ich gegen Ihre Verschwörung rebelliert habe? In solchen Fällen vergißt man politische Differenzen. Captain Worthing, ich hätte Ihnen geholfen.«
    Jazz lächelte dünn. »Wirklich?«
    »Verdammt«, rief Stipock. »Verdammt noch mal, natürlich hätte ich das getan.«
    »Das ist eben die Frage, nicht wahr? Entweder wollen Sie mir helfen oder gegen mich arbeiten.«
    »Jetzt? Sind sie denn nicht alle gut funktionierende Erwachsene?«
    Jazz nickte, ging dann zur Tür vom Klassenraum in die Röhre B und trat ein. Stipock folgte ihm. Die meisten Särge waren leer und standen offen. Aber zwanzig waren besetzt. Jazz berührte jeden im Vorbeigehen und nannte dazu den Namen. Die meisten kannte Stipock – Fritz Kapock, den Modeschöpfer; Sara Hamilton, eine Großhändlerin, die bei der Rebellion eine führende Rolle gespielt hatte; Arran Handully, die bekannteste Schauspielerin des Reiches, die maßgeblich an der Finanzierung des Aufstands beteiligt gewesen war. Einige andere kannte er natürlich nicht – er hatte unter den Verschwörern nicht hoch genug in

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