Heißer Schlaf
sind ein brillanter Mann, Stipock«, sagte Jazz. »Seit den Anfängen des Somec hat es in der Technologie des Reiches nur elf bedeutsame Neuerungen gegeben. Vier davon gehen auf Ihr Konto.«
»Vier?«
»Ich habe die Sonde mitgerechnet. Ich denke anders als Sie, Stipock. Ich kann den Leuten helfen, ihre menschlichen Probleme zu lösen, und ich habe sie alles gelehrt, was ich selbst aus der Schiffsbibliothek lernen konnte. Aber ich kann nichts erfinden. Und in einer Welt ohne Metall braucht man Erfindergeist. Wir brauchen ihn. Wenn ich Sie jetzt wieder einschläfern und ohne Gedächtnis aufwecken wollte, würden Sie vielleicht dennoch Erfinder werden, vielleicht aber auch nicht. Kapock war Modeschöpfer und verrät auch jetzt noch hohe Sensibilität, aber Linkeree war Geschäftsmann, und heute befaßt er sich mit Holzschnitzen. Verstehen Sie?«
»Sie brauchen mich also.«
»Wir können gut ohne Sie leben. Aber ich will Ihre Hilfe.«
»Ich werde Ihnen nicht helfen, solange Sie Gott spielen, Captain Worthing.«
Jazz zuckte die Achseln. »Sie haben die Wahl. Ich verlasse in drei Tagen das Schiff. Dann werde ich erwartet. Sie kommen mit. Entweder so, wie Sie jetzt sind, oder als Kleinkind in einem Kasten. Es liegt nur an Ihnen.«
Stipock schrie: »Sie müssen sich tatsächlich für Gott halten. Sie spielen mit dem Leben anderer Menschen, als ob die nicht selbst darüber zu bestimmen hätten!«
Jason setzte sich an die Steuerkonsole, wirbelte auf seinem Drehstuhl herum und sah Stipock an. »Die Menschen bestimmen nie über die wirklich wichtigen Ereignisse in ihrem Leben, Dr. Stipock. Die wichtigsten Entscheidungen werden ihnen abgenommen. Sie selbst entscheiden nur die banalen Dinge. Zum Beispiel, ob sie glücklich sein werden; wen sie lieben und wen sie hassen wollen; wie vertrauensvoll sie sein wollen. Sie können beschließen, mir zu vertrauen, und ich bin bereit, Ihnen zu vertrauen, und vielleicht können Sie dann glücklich werden, wenn Sie sich überhaupt dazu aufraffen können.«
Stipock sprang rot vor Wut auf Jazz Worthing zu – wobei er natürlich nicht genau wußte, was er wollte. Er hatte nur das vage Bedürfnis, dem anderen Schmerzen zuzufügen. Und Schmerzen wurden auch wirklich zugefügt. Stipock lag auf dem Boden und hielt sich den Arm.
»Jetzt haben Sie eine üble Prellung, Dr. Stipock. Denken Sie daran – Sie mögen auf Capitol ein paar Duelle gewonnen haben, aber die Flotte bildet ihre Soldaten zum Siegen aus. Und ich siege immer.«
Ein grober Mißbrauch von finanziellen Mitteln, dachte Stipock humorlos. Er war wütend und fühlte sich gedemütigt wie ein Krüppel – unfähig, sein eigenes Schicksal zu bestimmen, hoffnungslos in der Falle und dennoch zu allem imstande, wenn er sich nur seines Handicaps entledigen könnte.
Jazz blieb den ganzen Tag beschäftigt, und Stipock schaute ihm über die Schulter. Er wunderte sich darüber, daß Jazz so ruhig und gelassen blieb, als ob er, Stipock, für ihn nicht die geringste Bedrohung darstellte. Aber von Zeit zu Zeit – immer wenn er auf die Idee kam, den Raumschiffpiloten anzugreifen – hob Jazz fast spielerisch und wie zerstreut die Hand und verabfolgte Stipock irgendwo am Körper einen schmerzhaften Schlag. Einen kleinen Hinweis. Und Stipock gab jeden Gedanken an Widerstand auf.
Was Jazz studierte und was Stipock über seine Schulter hinweg mitlas, waren Listen und Statistiken und über die voraussichtliche Bevölkerungsentwicklung unter Berücksichtigung verschiedener Variabler. Stipocks Neugier war geweckt, und hin und wieder stellte er eine Frage. »Welche sind denn genau?«
»Alle. Aber die beste Voraussage scheint mir die anhand der Maximal-Maximal-Minimal-Zahlen zu sein – maximale Fruchtbarkeit, maximale Rohstoffvorkommen und minimale Feindlichkeit der Umwelt. Die Leute da draußen scheinen gern Kinder zu kriegen. Jedenfalls sind sie nicht so sehr dagegen, daß sie schon Doppelbetten erfunden hätten«, antwortete Jazz, und Stipock mußte lachen.
Dann gab es noch von Jason selbst geschriebene Berichte über die Fortschritte der Kolonie unter dem jeweiligen Aufseher. Die Namen waren Stipock vertraut – Kapock, Steve Wien, andere, die er gekannt oder von denen er gehört hatte. »Wer ist denn dieser Ciel?«
»Kapocks ältester Sohn. Die zweite Generation. Der erste hier Geborene, den ich zum Aufseher bestimmt habe.«
»Warum nennen Sie die Leute Aufseher?«
»Weil mir die Bezeichnung gefällt.«
»Und warum die Namen
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