Heißer Trip ins Glueck
beruhte. Ihr Anruf war jedoch ausgeblieben, was ihn überraschte. Obgleich er nur wenige Minuten mit ihr gesprochen hatte, war er sicher, dass sie keine typische, selbstgefällige Vertreterin der Oberschicht war. Er konnte nicht sagen, was es war, aber an dieser Frau war etwas Besonderes.
Das Quartett war zum Hochzeitsmarsch übergegangen. Alle Köpfe drehten sich nun um zum Anfang des Mittelganges, wo jeden Augenblick die Braut erscheinen musste. Jacob fluchte in sich hinein. Wenn Clair erst einmal durch die Menge hindurch auf den Altar zugeschritten war, konnte es Tage, wenn nicht Wochen dauern, bis er wieder eine Gelegenheit bekommen wür de, mit ihr unter vier Augen zu sprechen.
Ein Eingang im Seitenschiff öffnete sich, und für Momente verschlug es Jacob die Sprache. Ihr Gesicht von einem Schleier verhüllt erschien Clair, genauer gesagt schwebte sie wie eine weiße Wolke herein. Oliver Hollingsworth war ganz sicher ein Trottel, aber er musste der glücklichste Trottel der Welt sein.
Als Clair beim Eintreten Jacob Carver erblickte, hatte sie das Gefühl, als geriete ihr alles außer Kontrolle: ihr gemessener Schritt, ihre stolze Körperhaltung, ihr ruhiger, gleichmäßiger Atem. In schwarzen Jeans, schwarzem T-Shirt und schwarzen Stiefeln stand er lässig an eine Säule gelehnt da und sah aus wie der Teufel persönlich. Die Hände, in denen sie den Brautstrauß hielt, wurden ihr eiskalt, als er sie angrinste und mit einer leichten Handbewegung eine Begr üßung andeutete. Wie konnte er es wagen, hier vor den Augen von zweihundert Hochzeitsgästen aufzukreuzen?
In seinem Blick lag ein stiller Vorwurf. Mit welchem Recht sah er sie so an? Sie hatte ihn nicht angerufen, das stimmte. Aber welchen Sinn hätte das haben sollen? Ob sie sie nun adoptiert hatten oder ob sie ihre leibliche Tochter war - ihre Eltern liebten sie, Oliver liebte sie. Und sie hatten ein wundervolles, glückliches Leben vor sich.
Ein paar Meter weiter stand ihr Vater und erwartete sie. Er hatte ihr schon die Hand entgegengestreckt. Clair sah ihn an, dann ging ihr Blick zu Oliver, der sie am Ende des Mittelgangs lächelnd erwartete.
Ihr Herz schlug zum Zerspringen. Clair ging zu ihrem Vater und schaute ihm in die Augen.
„Daddy, ich … Es tut mir Leid.”
Seufzend ließ Charles den Kopf sinken. Dann nickte er und sagte leise: „Es ist schon gut, mein Kind. Tu, was du tun musst.” Mit diesen Worten küsste er sie auf die Wange.
„Ich danke dir”, flüsterte Clair. Ihre Kehle war wie zuge schnürt. Sie gab ihrem Vater das Brautbouquet, umarmte ihn und bat ihn leise: „Sag Mom, dass ich sie lieb habe.”
Unter den wartenden Hochzeitsgästen in den Kirchenbänken der Kathedrale entstand Unruhe. Gemurmel wurde laut. Clair drehte sich auf dem Absatz um und ging entschlossenen Schritts zu Jacob.
Sie straffte sich und sah ihn fest an. „Mr. Carver”, sagte sie, „ich möchte hier weg. Darf ich Sie darum bitten, mich in Ihrem Wagen mitzunehmen?”
3. KAPITEL
Clair und Jacob sprachen kein Wort während der Fahrt. Es ging vorbei an den zweistöckigen Villen im Kolonialstil; an einem langen Zaun entlang aus weiß gestrichenen Holzlatten, hinter dem eine große Farm lag; anschließend passierte man saftig grüne Koppeln, auf denen Pferde weideten. Dann kam ein schlossartiger Prachtbau, der einmal der Sitz einer höchst vornehmen Familie gewesen war und heute als Sanatorium diente.
Clair starrte geradeaus auf die Straße. Angespannt und sehr gerade aufgerichtet, die Hände im Schoß gefaltet, saß sie auf dem Beifahrersitz. Mit dem ausladenden Rock ihres Hochzeitskleids und dem wallenden Schleier, den sie noch immer trug, füllte sie fast den kompletten vorderen Teil des Wagens aus.
Jacob hatte anfangs mehrfach in den Rückspiegel gesehen und dann erleichtert festgestellt, dass ihnen niemand folgte. Jetzt suchte er unter den weißen Stoffmassen nach der Gangschaltung, schaltete herunter und bog in eine stille, von Bäumen ge säumte Seitenstraße mit kleineren, gepflegten Einfamilienhäusern. Dort parkte er den Wagen im Schatten eines blühenden Magnolienbaums am Bordstein und stellte den Motor aus.
Er kurbelte sein Fenster herunter, beugte sich danach über Clair hinweg und tat das Gleiche auf ihrer Seite. Clair starrte noch immer geradeaus und rührte sich nicht. Auf dem Bürgersteig kam ihnen ein älterer Herr entgegen, der seinen Pekinesen ausführte. Er warf einen bewundernden Blick auf Jacobs chromglänzenden Oldtimer. Dann
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