Heißes Geld
DEWAKO – um ins Geschäft zu kommen – auch einige Vorleistungen erbracht hatte.
Nunmehr aber hieß es: Geld oder Leben. Der Handel wurde über eine Genfer Anwaltsfirma, deren Namen ich nicht kenne, abgewickelt. Beauftragte der DEWAKO fuhren in regelmäßigen Abständen in die Schweiz, um die Dollars persönlich in Empfang zu nehmen. Selbstverständlich gab es bei dieser Art Geschäfte keine Belege, keine Buchung und keinen Schriftverkehr. Da die DEWAKO auch noch Diskretion für die ›Vereinbarung‹ verlangte, war der Zahlungsmodus kompliziert. Meistens schaffte ein Kurier aus den USA in seinem Handgepäck die abgepresste Summe als Bargeld in die Schweiz. Die genauen Zusammenhänge erfuhr ich von Joseph.
Er war nicht bei der US-Army, sondern tauchte zu meinem Entsetzen mit einem Schub Gefangener auf, der hier eingeliefert wurde. Er war – wie ich erst später erfuhr – mit einer ganz speziellen Aufgabe aus England mit dem Fallschirm über Frankreich abgesprungen und später aufgeflogen – nicht als Agent, sondern als Ausländer. Als seine Häscher erfuhren, daß er Jude war, interessierten sie sich nur noch dafür. Mein Bruder und ich sprachen niemals deutsch miteinander; wenn die Vernehmenden nicht französisch oder englisch konnten, wurde ein Dolmetscher zugezogen.
Die Gefangenen wurden nur noch von ihrem Selbsterhaltungstrieb beherrscht; es kam zu fürchterlichen Szenen. Um ihr Leben zu retten, hatten sich einige Häftlinge reiche US-Verwandte zugelegt, die es gar nicht gab. Andere wiederum, die ihre Freikaufchance nicht erkannten, spielten das elterliche Vermögen herunter, um es unangetastet zu lassen. Auch Joseph und ich machten in der ersten Haftzeit die Firma Freenstone viel kleiner als sie war, weniger um Geld zu sparen – Vater hätte zähneknirschend den Nazis für unsere Rettung sicher den letzten Cent gegeben – sondern weil wir uns schämten, dem Schicksal der anderen nur durch das Geld unseres Vaters zu entgehen.
Joseph dachte von Anfang an klarer, härter und logischer als ich. Er überzeugte mich, daß mit einer heldenhaften Geste niemandem gedient wäre, am wenigsten unseren Eltern, und so einigten wir uns mit Obersturmführer Dumbsky auf eine Kopfprämie von je 100.000 Dollar. Wir schwebten Wochen, die uns wie Monate vorkamen, zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Schließlich wurden wir erneut zum Verhör abgeholt. Dumpsky erklärte uns, daß wir das Vermögen unserer New Yorker Firma falsch angegeben hätten und sich die DEWAKO deshalb nicht mehr an die Vereinbarung gebunden fühle. Er erhöhte die Freikaufsumme auf je 200.000 Dollar und verlangte, daß wir unverzüglich in handschriftlichen Briefen unsere Eltern beschworen, das Geld auf schnellstem Weg aufzubringen und nach Genf zu transferieren. ›Andernfalls‹, sagte Dumbsky, ›müßte ich Sie zu meinem Bedauern nach Polen verschuben lassen.‹ Er deutete es nicht an, aber sein Gesicht ließ erkennen, daß Polen für uns das Ende wäre: ›Und zwar heute noch‹, sagte er. ›Welche Garantie hätten wir‹, fragte Joseph, ›daß Sie nicht noch einmal mehr Geld verlangen?‹
›Mein Wort‹, erwiderte Dumbsky.
Joseph schwieg, und auch ich wußte keine Antwort.
›Ich weiß‹, setzte der Obersturmführer hinzu: ›Bei der Art Ihrer Geschäfte ist es wohl nicht üblich.‹ Mit einem zynischen Lächeln stellte er fest: ›Aber bei uns gilt noch der Handschlag.‹
Wir zögerten, um nicht zu einer weiteren Neufestsetzung einzuladen. Da trat Hauptsturmführer Eckel in Aktion, ein grobschlächtiger Kerl mit niedriger Stirn, tückischen Augen, unter unseren Peinigern zuständig für unsagbar sadistische Quälereien, an denen er offensichtlich auch noch Freude hatte.
Joseph und ich mussten zusehen, wie Eckel – Dumbsky im Hintergrund rührte keine Hand dabei – den Neffen eines internationalen Bankiers mit den Stiefeln buchstäblich tottrat. Wir erlebten, daß er Ehepaare auseinanderriß – nur um die Zahlungsfrist zu verkürzen oder das Lösungsgeld zu verdoppeln, ließ er den Mann in die Zelle zurückführen und die Frau nach Drancy zurückschaffen oder auch umgekehrt.
Einmal zeigte uns Eckel am Morgen Häftlinge, die sich über Nacht an der Heizung erhängt hatten – dann gab er uns das Briefpapier.
Nach drei Tagen schrieben wir, jeder für sich, den Text, der uns abverlangt wurde. Von da ab wurden wir in Ruhe gelassen, bis die äußerst knapp gesetzte Frist für das Eintreffen des Geldes abgelaufen war. Dann
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