Heißes Geld
Zeremonie für viele von ihnen nur lästig war. Die Manager der City ließen sich ungern daran erinnern, daß etwas mächtiger war als ihre Aktivitäten an der Börse. Aber womöglich brauchte man gar kein Geschäftsmann zu sein, um Beerdigungen zu meiden – die meisten Menschen würden sicherlich ihrer eigenen fernbleiben, wenn sie es könnten.
Feller, breitschultrig, schlank und sportlich, war auf den ersten Blick ein Mann, dessen Vitalität durch Intelligenz beherrscht wurde; er hatte eine hohe Stirn, klare Augen und vereinigte, nach einem Wort seines Gönners, Brillanz und Bizeps. Der Anwalt hatte den Verstorbenen kaum gekannt, und so war er weniger aus Pietät als auf persönlichen Wunsch Roskoes nach Brooklyn gefahren. Der Senior, durchaus nicht zimperlich, brauchte bei der düsteren Zeremonie keinen Begleiter, sicherlich verband er mit seiner Einladung einen Zweck. Wünsche, die aus der Reihe fielen, hatten bei seinem Firmenchef meist einen besonderen Grund.
Sie saßen in Roskoes Mercedes-Limousine und fuhren nach Manhattan zurück: »Wir haben nicht nur einen Mann begraben, sondern eine Institution«, sagte der Senior. »Karrieren, wie sie Greenstone machte, wird es wohl künftig auch in Amerika nicht mehr geben.«
Feller nickte, er wußte, daß der Verstorbene Mitte der zwanziger aus Russland und Mitte der dreißiger Jahre aus Deutschland zur Emigration gezwungen worden war und dann in New York, englisch nur radebrechend, einen ungewöhnlichen Aufstieg geschafft hatte. Die Zeit dieser legendären Himmelflüge – vom Tellerwäscher bis zum Multimillionär – war wohl endgültig vorbei.
»Soviel ich weiß, gibt es keine Erben?« fragte Feller.
»Keine persönlichen«, erwiderte Roskoe: »Wir haben den Auftrag, seine Firma zu liquidieren, den Erlös in eine Stiftung zugunsten von Kriegsopfern einzubringen. Bis zur Bestellung eines Kuratoriums – das kann noch Jahre dauern – handeln wir als Treuhänder. So betrachtet, ist Mr. Greenstone unser Klient geblieben. Wir haben freie Hand und viele, sehr viele Mittel.«
Feller lächelte, er wußte, daß der Senior in der gleichen Reihenfolge an Gott, Geld und Golf glaubte, ein Mann, der mühelos puritanischen Lebenswandel mit erheblichem Erwerbssinn und mildem Alterssport verbinden konnte.
»Falsch, Henry«, sagte der Alte: »Ich werde dieses Geld nicht anrühren. Keinen Cent, außer Vertrauensspesen. Ich will Ihnen damit nur etwas umständlich sagen, daß – falls wir den Fall gleich beurteilen – Geld keine Rolle spielen würde.« Sein Gesicht wurde hart: »Ich habe heute morgen einen Brief von einem Toten erhalten, der gewissermaßen 18 Jahre an mich unterwegs war«, sagte er. »Das Schreiben war bei einer Anwaltsfirma in Fort Worth, Texas, als testamentarischer Wunsch hinterlegt und an die Auflage gebunden, es uns nach dem Tod von Miriam und Aaron Greenstone auszuhändigen.«
»Warum?«
»Das werden Sie sofort begreifen, wenn Sie den Brief gelesen haben«, erläuterte Roskoe: »Nathan Greenstone, der Verfasser, wollte, daß der Tatvorgang bei der Ermordung seines älteren Bruders Joseph festgehalten wird, nicht jedoch, daß ihn seine Eltern erfahren. Diese Geschichte ist so grausam, daß er sie ihnen ersparen wollte. Nathan war damals in Texas als Bomberpilot ausgebildet worden und hat diese Verfügung unmittelbar vor seiner Versetzung nach Europa getroffen. Ein paar Monate später ist er gefallen. Kommen Sie mit, Henry?«
»So ungefähr.«
Der alte Roskoe sah einen Moment zum Autofenster hinaus. »Miriam Greenstone war schwer herzkrank gewesen. – Ihr Mann hat die Zusammenhänge geahnt, aber nicht gewagt, sie ganz aufzuklären.«
»Die Geschehnisse liegen doch an die 20 Jahre zurück?«
»Ja.«
»Und es ist bisher nichts in der Sache unternommen worden?«
»Doch, es ist viel unternommen worden.« Der Senior lächelte bitter. »Es ist bloß – soviel ich weiß – wenig geschehen.«
Feller sagte nichts; es war eine Antwort.
»Für mein Rechtsgefühl ist es einfach unerträglich, daß hier Mörder gewissermaßen über den Gräbern ihrer Opfer die erpresste Millionenbeute genießen, das Blutgeld für ein Verbrechen, an dem eine ganze Familie zugrunde gegangen ist.«
»Aber der alte Greenstone wollte doch an diese Dinge nicht mehr rühren«, erwiderte Feller behutsam.
»Nicht er hat Nathans Brief bekommen, sondern wir«, entgegnete der Alte mit leichter Schärfe.
Feller nickte, er war weder störrisch noch begriffsstutzig, ein
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