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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heininger
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Besser in den Wochen vor dem Abmarsch trainieren - den Einkauf statt in Aldi-Tüten im Rucksack nach Hause tragen. Da spürt der Wanderer, wie schwer das „darf es auch ein bisschen mehr sein“ auf seinem Rücken drückt. Beim Einpacken für die große Pilgerwanderung sagt er sich dann: „Es darf auch ein bisschen weniger sein.“
    Man lernt auf dem Weg das Verzichten, auch auf viel Gepäck. Nicht jeder wird in der Lage sein, sich eine teure, superleichte Ausrüstung zu kaufen. Nicht so tragisch, da hat er halt ein bisschen schwerer zu tragen. Es ist eine individuelle Entscheidung, was und wie viel man benötigt, einpackt und schließlich auch schleppt.
    In Villers-sur-Saulnot bietet die Familie Robert eine einfache Unterkunft. Ihr Bauernhof macht zunächst einen etwas desolaten Eindruck. Doch ein Pilger kann nicht erwarten, dass ihm überall ein perfekter Schlafplatz zur Verfügung gestellt wird.
    Die Bauersfrau ist freundlich, spricht sogar ein wenig Deutsch. Das Essen gibt es erst um halb neun. Ist mir recht. Ein weiterer Pilger trifft ein: Udo oder Uwe oder Ulf, einst evangelischer Pfarrer, jetzt im Ruhestand. „Morgen mache ich einen Ruhetag“, sagt er beim Umziehen und streckt mir sein weißes Hinterteil entgegen. Ich frage erstaunt, ob er hier etwa noch eine weitere Nacht bleiben möchte. „Ruhetag heißt, ich laufe nicht, ich fahre per Anhalter.“
    Endlich wird das Abendessen aufgetischt. Schwein, Gemüse, Käse sind aus eigener Erzeugung und hervorragend. Doch es dürfte gerne etwas mehr sein. Monsieur Robert meint, früher hätten die Franzosen ihre Söhne „Marc“ getauft und die Deutschen die ihrigen „Frank“ - jetzt gebe es nur noch den Euro. Der Landmann ist ein lustiges Kerlchen. Ich frage mich nur, wie der bei den kleinen Portionen so kugelrund werden konnte.

Man muss sich vom alten Denken befreien und neue Gedanken zulassen

    Als ich früh Villers-sur-Saulnot verlasse, ist die Hitze des Tages schon zu erahnen. Beruhigend, es wird heute eine nicht allzu lange Strecke für den Wanderer oder Pilger werden. Wieso wird hier mal vom „Wanderer“ und mal vom „Pilger“ geschrieben? Ich wollte nicht immer das gleiche Wort verwenden. Pilger gehen, laufen und -wandern. Auch Pilger sind Wanderer. Gleichmäßiges, meditatives Gehen durch freie Natur macht allein aus dem Wanderer keinen Pilger. Sicher, während seiner Gedankengänge geschieht etwas in Kopf und Herz. Doch ein Pilger geht aus religiösen Gründen zu einem ihm heiligen Ort. Wanderer gibt es viele, Pilger wenige. Es heißt, mancher sei als Wanderer aufgebrochen und als Pilger angekommen. Raimund Joos meint in seinem Buch „Pilgern auf den Jakobswegen“: „Pilgern ist letztendlich etwas unerklärlich Wunderbares.“
    Ob Pilger oder Wanderer, beide haben Durst. Auf Secenans folgt Saint-Ferjeux. Hier gibt es weit und breit kein Café oder einen Laden, nicht mal eine Tankstelle mit Getränkedosen. Der Wanderer erträgt es. Er klingelt und bittet um Wasser. Das Erleben der Nächstenliebe unterwegs wird manchem das bisherige eigene falsche Leben aufzeigen. Er erkennt, dass seine Gier, seine Habsucht und sein Egoismus nicht nur den Mitmenschen geschadet haben, sondern auch sich selbst. Zieht er die richtigen Schlüsse und beendet sein bisheriges Verhalten, hat dieser Wanderer eine gewaltige Reise, ja eine wahre Pilgerfahrt vollbracht. Man muss sich vom alten Denken befreien und neue Gedanken zulassen. Vielleicht hat Karl Valentin das damit gemeint, als er sagte: „Wenn ich zu mir komme, dann hoffe ich, dass ich auch zu Hause bin.“ In ihrem Buch „Auf den Spuren des Jakobus“ schreibt Elisabeth Alferink: „Wer in die eigne Seele blickt, dem kommt Gott selbst entgegen.“
    Hier in der Gegend finden gewaltige Erdarbeiten statt. Tunnel werden gegraben, Straßen umgeleitet, alles für eine neue Eisenbahntrasse. Auf dem Weg nach Villersexel ist daher die Luft staubig, die Kehle trocken.
    Im Ort wird alles gut: Netter Campingplatz, tolles Wetter und diverse Geschäfte. Es ist der bisher schönste Tag auf meiner Wanderung. Meine Stimmung tendiert in Richtung Weltumarmung. Von der zuvorkommenden Dame im Fremdenverkehrsbüro erhalte ich eine Liste von den Campingplätzen der Umgebung - so wird meine morgige Kilometerleistung in der zu erwartenden Hitze nicht allzu rekordverdächtig werden.
    Seit Jahren wird zum Sommeranfang in vielen Orten Frankreichs ein Musikfest veranstaltet. Auch hier im lebendigen Ort wird an mehreren Plätzen

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