Heiter. Weiter.
den alten Onkel, der meine Sprache spricht.
Erschöpft erreiche ich Lachapelle-sous-Rougemont, doch der Campingplatz liegt fünf Kilometer außerhalb. Als ich endlich ankomme, muss ich feststellen, dass es keinen Laden gibt. Nur ein teures Restaurant lauert im nahen Wald auf Durstige und Hungrige. Ein Gezapftes kann ich mir leisten, mehr ist nicht drin. Der Campingplatzwart verkauft mir aus eigenem Bestand die letzte Flasche Bier und führt mich zu einem kleinen Bierzelt, das sich in einer Ecke der Anlage versteckt. Die Rettung! Mitnichten. Im jetzt leeren Zelt trafen sich am Wochenende die Camper zum Schwofen. Der hilfsbereite Mann meint, ich könne in dem stabilen Zelt übernachten, falls es wieder so stark regne wie in der vergangenen Nacht. Es bleibt trocken. Ich bleibe es auch.
Besser unterwegs mit Hut und Stab als mit Helm und Gewehr
Nachdem ich Lachapelle verlassen habe, bringen mich meine Füße durch Bethonvilliers, Eguenigue und Denney. Die Wartehäuschen an den Bushaltestellen sind breiter als ihre deutschen Pendants. Zur Not kann man da nachts den Schlafsack ausrollen, sollte es stark regnen. Bei diesen enormen Ausmaßen kann nichts nass werden. Die schmalen Unterstände in Deutschland sind ungeeignet, ein Unterschied wie zwischen einem deutschen und einem französischen Bett.
Die an Weggabelungen aufgestellten Wegweiser erleichtern mir die Orientierung. Meistens. Manchmal muss ich suchen. Der nächste Ort dürfte doch gar nicht mehr so weit entfernt sein. Habe ich mich verlaufen? Kein Wegweiser aus Holz und Farbe oder Fleisch und Blut. Doch zwischen den Feldern ragt das spitze Turmdach einer kleinen Kirche in den Himmel. Wie ein riesiger Finger zeigt es mir die Richtung: „Komm herbei, du müder Wanderer, hier bist du richtig, hier wirst du ruhen!“ In meiner ausgehungerten Phantasie sehe ich schon einen Marktplatz mit Épicerie, Bistrot und Mademoiselles. Doch beim Näherkommen erkenne ich: Der Turm gehört zu einer Friedhofskapelle. Er weist den Weg, den alle Wanderer einmal gehen müssen, mahnt, dies nie zu vergessen und die verbleibende Zeit zu nutzen.
Das Muschelzeichen leitet mich gut nach Belfort. Der Weg ins Stadtzentrum führt vorbei an dem mächtigen Fort. Belfort wurde im Krieg 1870-71 von den Preußen 103 Tage belagert. Ich denke an die „Eppinger Linien“ und auch die Bunker bei Mulhouse -Franzosen kämpften gegen Deutsche, Deutsche kämpften gegen Franzosen. Solch ein Wahnsinn ist heute kaum mehr vorstellbar. Es ist besser, unterwegs zu sein mit Hut und Stab als mit Helm und Gewehr.
Die in einem Wohnblock integrierte Jugendherberge in Belfort verfügt nur über wenige Zimmer. Deshalb hatte ich bereits in Mulhouse vom Herbergsvater ein Bett reservieren lassen. Es drängt mich nicht aus meinem Einzelzimmer in die Kneipe zum Feierabendschoppen. Die Getränke sind mir da zu teuer.
Müde liege ich im Bett, denke an die vergangenen Tage, an meine Befürchtung, ich müsse die Wanderung abbrechen. Da wird mir klar: Zwei gute Freunde begleiten mich, Tag für Tag. Freunde? Eher gute Bekannte, seine Freunde behandelt man besser. Ich kenne sie schon lange, hätte aber nie gedacht, dass sie einmal so wichtig für mich werden könnten, wichtig sind. Manchmal stinken sie mir. Wanderer sollten mehr auf die sachten Warnsignale der beiden Gefährten achten, machen die sich deutlich bemerkbar, ist es meist schon zu spät. Die beiden Gefährten sind des Wanderers Füße.
Mit den lustigen Bauersleuten haben wir Schwein gehabt
Es ist selten, in einer Ortschaft ein Lebensmittelgeschäft zu finden. Von Belfort gehe ich über Bavilliers nach Buc und Luze. Hier hat wenigstens ein Café geöffnet. Manchmal tippele ich entlang einer Nationalstraße und entdecke eine Fernfahrer-Raststätte mit solider Hausmannskost zu sympathischem Preis. Diese Lokale verfügen oft über Duschen. Da könnte ich doch in der Nähe mein Zelt aufbauen ...
Mir scheint, hier auf dem Land sind Läden noch rarer als in Deutschland. Auch zu Hause muss ich, da ohne Auto, meine Einkäufe oft weit tragen. Ich habe mir die schwere Schlepperei leicht gemacht, in dem ich sie in meine Vorbereitungen für den Jakobsweg einbezog. Man sollte sich bereits zu Hause Kondition erworben haben. Werden Füße, Gelenke, Muskeln oder Rücken unterwegs durch Überbelastung beeinträchtigt, wird die Tour zur Tortur. Welcher Pilger verfügt schon über zusätzliche Zeit, seine Wanderung für ein oder zwei Wochen zu unterbrechen, um sich zu erholen?
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