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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heininger
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und Akazien sind mit Efeu bewachsen und geben dem Wald ein dichtes Blättergewand: märchenhaft, fast unheimlich. Tautropfen zieren wie Perlen einen Frauenmantel. Staunend bleibt da so mancher Storchenschnabel geöffnet. Spaziere ich durch Wald und Feld, erfreue ich mich an der Natur in aller Stille, unterbrochen nur vom warnenden Knurren meines Magens. Stapfe ich entlang einer dicht befahrenen Straße, ärgere ich mich über den Krach. Zur Versöhnung steht öfters ein Supermarkt an der Straße.
    Nach Pesmes führt ein lieblicher Weg durch Felder mit Gerste, Raps und Sonnenblumen. Kornblumen, Kamille und Mohn besprenkeln grüne Weiden mit Tupfern in Blau, Weiß und Rot -den französischen Farben.
    Und dann die Überraschung: In Flammerans hat doch tatsächlich ein kleines Lokal geöffnet. Eine ältere Dame bewirtschaftet den Laden, ein noch älterer Mann ist der einzige Gast, seinem Gelalle nach scheint es ein guter Gast zu sein. Oder ist es der Gatte? Beide sind freundlich zu mir. Dank der Oase schaffe ich es dann auch noch bis nach Auxonne. Auxonne ist ein schmuckes Städtchen mit interessanter Kirche und großer Kaserne. Das Hotel „Le Grand Saint Jacques“ kann ich mir nicht leisten, mein Nachtlager befindet sich auch heute wieder auf dem Campingplatz. Wer arbeitet, hat, sofern er sich nicht zum Niedriglohn verkaufen muss, Geld, um zu einer Wanderung nach Santiago aufzubrechen - aber es fehlt die Zeit. Arbeitet man nicht, hat man die Zeit, aber nicht das Geld. Wenn man in Rente ist und hoffentlich genug erhält, machen die Knochen nicht mehr mit.
    Aufbrechen also, wenn es irgendwie möglich ist! Es wird schon gehen. Auch der Wanderer mit kleinem Budget kommt auf dem Jakobsweg nach Santiago. Eine Pilgerreise ohne Luxus, aber auch ohne Askese. Bescheidenheit und Zufriedenheit begleiten mich nicht nur, sie zeigen mir auch den Weg zum Glück. Unterwegs gesellt sich dazu noch die Gelassenheit. Gehe, und es geht weiter.
    Verträgt man sich gut mit sich selbst, hat man einen verlässlichen Weggefährten. Einen Freund, der dich kennt und trotzdem mag. Der dich zum Schmunzeln bringt, aber auch Fehler aufzeigt. Du erkennst in ihm eigene Schwächen und Stärken. Wird diese Freundschaft sorgsam gepflegt, hält sie ein ganzes Leben.

Die untergehende Sonne und der Roséwein haben die gleiche Farbe

    Wieder ein heißer Tag. Gut so. Ich bin richtig „drin“ im Jakobsweg. Ich verlasse Auxonne vorbei an prächtigen Sommergärten mit Blumen und Kindern. Ich mag Blumen, ich mag Kinder. Es freut mich, sie zu betrachten, zu beobachten. Schön, wenn es nicht die eigenen sind! So machen sie froh, aber keine Arbeit. Keine Plagerei mit Unkräutern oder schlechten Zensuren, kein Düngen oder Eintrichtern von Vokabeln. Und doch fehlt etwas.
    Rast in Les Maillys. Ich habe Zeit, meine heutige Etappe ist kurz. Das Vorhandensein von Campingplätzen bestimmt die Länge meiner Etappen. In den Tagen zuvor hatte ich bereits ordentliche Kilometerleistungen hingelegt. Auf der schattigen Bistro-Terrasse genieße ich kühlen Rosé. Ein Franzose, mit dem Fahrrad unterwegs nach Santiago, gesellt sich zu mir. Er ist begeistert, einen Fußpilger zu treffen. Doch er muss weiter, ich muss weiter. Buen camino!
    Gehe ich am fremden Garten vorbei, sehe ich Blumen, die heute blühen. Die, die sich bald entfalten, erahne ich nur und die, die vor Wochen verblühten, kannte ich nicht. Wohl aber der Gärtner. Zum Leben gehört auch die Erfahrung des Werdens und des Vergehens, die Erfahrung von Geburt und Tod. Kinder haben nur noch wenige um sich herum, die Alten sterben im Hospital oder Heim. Nicht daheim. Nicht sichtbar ist das Siechen. Nicht mehr erlebbar der Tod, womöglich die Erfahrung einer Erlösung. Für das Schnitzel wird heutzutage keine Sau geschlachtet, sondern eine Packung aus dem Kühlregal genommen.
    Der Campingplatz von Saint-Jean-de-Losne liegt außerhalb am Fluß Saône. Am Empfang zücke ich zum verlangten Personalausweis routiniert auch den Pilgerausweis. Der Rezeptionist ist recht angetan, drückt seine Freude aus und den „tampon“, den Stempel, hinein. Auch ich bin erfreut - bis ich den Übernachtungspreis erfahre: zwölf Euro! Was soll denn das Besondere an dieser Anlage sein? Der Rezeptionist begleitet mich zu einem ziemlich stabilen und geräumigen Pavillon. Diese noble Unterkunft ist gedacht für Pilger, die ohne eigenes Zelt anwandern.
    Ich nehme den Luxus an. Mein Quartier bietet Betten, Tisch, Stühle, Herd, Heizofen,

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