Heiter. Weiter.
mein morgiges Frühstück.
Ich war schon auf dem Jakobsweg bevor ich wusste, dass es ihn gibt
Ich verabschiede mich vom Herbergsvater auf Irisch mit „Slán“ und frage noch, wo ich in Moissac günstig eine brauchbare kurze Wanderhose kaufen kann. „Ich fahr dich hin“, gibt er zur Antwort. Mit Kombi und Collie fahren wir hinaus auf die grüne Wiese. Wir fahren am Campingplatz vorbei, er befindet sich doch direkt in der Stadt. Der günstige Wanderhosenladen ist ein Geschäft für Agrar-Bedarf. Ich kaufe die Hose, der Ire setzt mich wieder an der Herberge ab. „Go raibh maith agat“ - vielen Dank.
Es hatte in der Nacht nicht das erwartete reinigende Gewitter gegeben, doch die Luft ist angenehm frisch. Der Weg führt den Kanal entlang. Ein alter Mann steigt vom Fahrrad und fragt, aus welchem Land ich komme. Meine Antwort erfreut ihn sichtlich. Er halte hier Ausschau nach Deutschen. Nie habe er in der Schule Deutsch gelernt, seine Sprachkenntnisse verdanke er einem Kriegsgefangenen. Der Großvater war im I. Weltkrieg und sein Vater im II. Weltkrieg in Deutschland. Er selbst war nie dort. Er kenne das Land nur von Kriegserzählungen und von Gesprächen mit deutschen Pilgern.
Pause in Malause. Ein Haus erinnert mich an Spanien: Die Mauern bestehen abwechselnd aus Schichten flacher roter Klinkersteine und Schichten weißer Kieselsteine. Spanien! Es ist nicht mehr weit bis zu den Pyrenäen, in zwei Wochen bin ich dort.
Auvillar ist ein hübsches, sympathisches Städtchen. Es war eine gute Idee, einen Platz hier in der Gîte reservieren zu lassen: Sie ist voll, Pilger werden abgewiesen. In der Tourist-Information bemüht man sich mit Erfolg, sie privat unterzubringen.
Die Herberge ist geschmackvoll eingerichtet, mit allem Komfort. Ich teile das Zimmer mit drei Franzosen. Einer schleppt im Rucksack eine Ausgabe vom „Capital“ mit. Das Auf und Ab der Aktienkurse scheint ihn mehr zu beschäftigen, als das Auf und Ab der Höhenprofile im Wanderführer. In der Herbergsküche wird gekocht, im Garten gespeist. Als das Geschirr gespült ist, entdeckt einer die Spülmaschine. Im Dunkeln sitze ich im Herbergsgarten. Die Sterne zeigen sich heute besonders deutlich. Ich fühle mich froh und frei. Ich denke zurück, als ich in der Kneipe die Zeitung fand. Da war ein Nach-Pächter, mein Lebensretter, schon in Sicht. Nach Übergabe des Lokals wollte ich auf große Tour gehen, durch Österreich bis nach Italien. Doch der Jakobsweg hatte mich gepackt, bevor ich gepackt hatte. Ich bin auf dem Jakobsweg schon gewandert, bevor ich wusste, dass es ihn gibt.
Im Dunkeln sitze ich im Herbergsgarten. Ein Elsässer setzt sich zur mir. Er bietet mir von seinem Wein an. „Es muss Dir nicht peinlich sein, etwas geschenkt zu bekommen. Du musst lernen, Geschenke anzunehmen. So wie Du lernen musst, die Religion anzunehmen, Gott anzunehmen.“
Die Musette-Musik bringt die müden Pilgerbeine zum Schwingen
Laut Türschild hat der Lebensmittelladen gegenüber dem Uhrturm in Auvillar noch gar nicht geöffnet. Doch ich darf mich schon zur frühen Stunde mit Verpflegung für unterwegs eindecken. Beherzt setze ich jetzt einen Fuß vor den anderen. Da überholt mich eine Gruppe Kinder samt Betreuer. Mich - der vor der eigenen Haustüre gestartet und trotz Fuß- und Sohlenproblematik im Zeitplan ist! Obwohl ich durch den Schwarzwald gewandert bin, bin ich drei Tage schneller als bei meiner ersten Pilgerwanderung 2004. Na wartet! Nach ein paar Kilometern habe ich die Elf-, Zwölfjährigen nicht nur eingeholt, sondern überholt. Das wäre ja noch schöner. Aber: Mein Fuß schmerzt. Leicht.
In Bardigues verkauft ein Galerist Dosen und Kaffee an die Vorbeiwandernden. Er wird mit Getränken mehr verdienen als mit Gemälden. Doch ich mache hier noch keine Pause. Erst in Saint-Antoine nehme ich mir genügend Zeit, die interessante, schön bemalte Kirche zu besuchen und ein wenig inne zu halten. 2004 bin ich viel zu schnell hier durchgehastet. 2004! Die kleine Herberge in Castet-Arrouy war gut gefüllt. Ich hätte drinnen noch Platz gehabt, doch ich zog es vor, im Garten zu campieren. Eine Gruppe aus der Schweiz hatte das letzte Etappenziel ihrer diesjährigen Wanderung erreicht. Am Abend feierten sie mit ihrem Pfarrer einen Abschluss-Gottesdienst. Anschließend besuchten alle das Restaurant. Auf dem Dorfplatz waren die Tische weiß eingedeckt, bunte Glühbirnen sorgten für Farbtupfer. Vom Band ertönte die von mir geliebte Musette-Musik und
Weitere Kostenlose Bücher