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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heininger
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scheidet aus, den hätte ich gemerkt. Und vor allem: Wie kann man mit gebrochenen Knochen täglich noch so eine Kilometerleistung hinlegen? Ob da eine Sehne entzündet ist? Seit ein paar Tagen ist eine leichte Schwellung nicht nur spürbar, sondern auch sichtbar. Ich wollte es nicht wahr haben, aber es ist Fakt. Ein Überbein? Ein früherer Vorgesetzter von mir, ein Schaffer, hatte ein Überbein am Fuß. Da auf ihn, den Schaffer, nicht verzichtet werden konnte, er es aber vor Schmerzen nicht aushielt, schnitt er sich ein Loch in den Schuh. Wir lachten. Ehrlich, ich hatte auch schon mit dem Gedanken gespielt, mir ein Loch in den Wanderschuh zu schneiden.
    Der Jakobsweg lässt sich nicht planen - man sollte auch ein Scheitern einkalkulieren. Aber ich will doch nach Santiago! Und nach Afrika. Ich werde kürzere Etappen laufen, Ruhetage einlegen. Großes Wander-Ehrenwort. Da wird sich der Fuß schon erholen. Gut, heute ist noch einmal eine größere Strecke zu bewältigen. In Condom gestartet, mache ich bereits in Larressingle Station. Das bedeutet Umweg und Wegverlängerung von drei Kilometern, aber es lohnt sich. Der Ort mit komplett vorhandenen Verteidigungsbauten ist sehenswert. Dafür kürze ich jetzt den Weg ab und gehe zunächst nach Lauraët. Wie damals mache ich vor der Kirche Rast, verspeise Brot, Käse und Obst. Ach, etwas Wein war auch noch in der Flasche. Da fährt ein Auto mit Heimat-Kennzeichen vorbei. Ich winke wie verrückt, die Insassen halten nicht an. Die werden sich über die freundlichen Franzosen freuen.
    Er läuft und läuft und läuft. Da kann es doch um seinen Fuß gar nicht so schlecht bestellt sein. Oder?
    Tagesziel ist Lamothe. Hier betreibt Fritz aus Deutschland eine Gîte. Unter diesem Begriff versteht man in Frankreich eine Herberge, eine Unterkunft für Wanderer. Im Unterschied zu spanischen Pilgerherbergen darf in der Gîte jeder übernachten, der Platz findet. Ein Pilgerausweis ist nicht notwendig. Reservierungen sind manchmal möglich. Man sollte einen Schlafsack dabei haben.
    Fritz ist ein großzügiger Mensch, die saubere Unterkunft empfehlenswert. Bei ihm findet der Wanderer ein frisch überzogenes Bett und sogar ein Handtuch. In der Speisekammer der gut eingerichteten Küche wartet ein ausreichender Vorrat an Lebensmitteln und Getränken. Eine Fliegenklatsche pro Zimmer ist Standard.

Als kleiner Künstler darf schon ein Zehnjähriger in die Stierkampfarena

    Von Lamothe führt der Weg eben durch einen Wald. Dennoch: So geht es nicht mehr weiter mit dem Fuß. Ich werde einen Arzt aufsuchen. Aber wenn der Doktor einen Abbruch meiner Wanderung empfiehlt?
    Rebe an Rebe an Rebe. Eauze wird „Hauptstadt des Armagnacs“ genannt. In der Kirche nehme ich zufällig an der Taufe zweier Kinder teil. Oben hat Jesus schon das Buch aufgeschlagen: A und O, Anfang und Ende. Gegenüber, im „Café Commercial“, reicht der Patron zum Getränk das Gästebuch. Pilgerinnen aus Deutschland haben da vermerkt: „Wir beten für die getöteten Stiere.“ Ja, hier werden Stierkämpfe veranstaltet.
    Kurz vor Nogaro frage ich einen Anwohner nach dem Weg. Er weiß es nicht. Ich habe den Eindruck, er will es nicht verraten. Es scheint, die Wegführung wurde vor nicht langer Zeit geändert und die Leute stört es, dass jetzt Wanderer am Grundstück vorbeipilgern. „Durchgang verboten!“, „Wachhund!“, „Privat!“ - aber keine Wegmarkierung. An einem Strommast hat jemand den noch erkennbaren rot-weißen Strich übertüncht.
    2004 war die Gîte am Stadtrand von Nogaro überfüllt, heute schlafen nur wenige Gäste hier. Ich zelte auf der Wiese am Haus. Für sechs Euro kann ich Dusche, WC und die Herbergsküche benutzen. Was will man mehr? Jetzt heißt es: einkaufen. Der Aldi schließt gerade die automatischen Türen. Doch die „Hyper Champions“ nebenan haben geöffnet. Ausgerechnet in diesem riesigen Supermarkt muss der Kunde sein Gemüse selbst wiegen. Das bemerke ich aber erst an der Kasse. Peinlich. Die Schlange hinter mir drängt, die Zeit ebenso -auch hier möchte man gerne schließen. Ich verzichte auf mein Gemüse. Jetzt kommt die Marktleiterin. Sie schenkt mir das Grünzeug! Danke, ihr seid wirklich die Champions.
    Neues Problem: Der Reißverschluss der Bauern-Wanderhose ist kaputt. Offen gestanden finde ich die Shorts gar nicht mehr so gut.
    In Nogaro wurden heute Stierkämpfe veranstaltet. Die Kämpfer, deren vier an der Zahl, sind in der Nacht im Minibus angereist. Sie ruhten sich im

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