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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heininger
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Tageszimmer eines Hotels etwas aus und dann gingen sie an ihr Werk. Ein Kampfstier ist teuer, bei den Kämpfen wird viel Geld umgesetzt. Jetzt, nach Feierabend, sitzen die Toreros auf der Hotel-Terrasse und teilen sich zu viert zwei Sandwichs. Wer hat all das Geld eingesteckt? In der Nacht fahren sie wieder weiter, morgen wartet irgendwo der nächste Kampf. Der jüngste Toréador ist höchstens siebzehn Jahre alt - es gibt jüngere Stierkämpfer. Eine Frage beschäftigt hier im Augenblick die Gemüter: Ist Stierkampf Kunst oder Arbeit? Als kleiner Künstler darf selbst ein Zehnjähriger an den Stier, Kinderarbeit bleibt jedoch auch in einer Arena streng verboten.

Ich möchte die Landschaft umarmen wie einen alten Freund

    Ich verlasse Nogaro auf dem gleichen Weg wie damals. Auch hier hat man die rot-weißen Markierungen entfernt, doch offiziell. Für den Pilger wurde eine neue Wegführung gefunden. Attraktiver? Ich bleibe meinem gewohnten Trott treu. Nach ein, zwei Kilometern sind die alten rot-weißen Striche noch vorhanden: Man wähnt den Pilger schon auf neuen Pfaden. Jemand wird sagen, ich sei nicht auf dem richtigen Weg gewandert. Doch was vor ein paar Jahren der „richtige“ Jakobsweg war, kann heute kein falscher sein. Ich bin auf meinem Weg von 2004. Meine Stimmung damals war die eines Nichtmehraufzuhaltenden. Jetzt schmerzt der Fuß, mehr und mehr. Vor Tagen war nur ein leichter Druck zu spüren, fast unmerklich. Ich habe den Schmerz, dies sanfte Signal, verdrängt, wollte ihn nicht wahrhaben. Der Druck wird stärker. Ich humpele voran und bin froh, nicht auf der neuen Strecke zu gehen, hier sieht mich keiner, keiner gibt sich besorgt. Ein alter Mann sitzt auf einem Stuhl vor dem Garten. Ich erkundige mich nach dem Weg. Ich bin mir sicher, ihn bereits 2004 an der gleichen Stelle angetroffen und befragt zu haben. Anwohner haben Bänke gezimmert, laden den Pilger zur Rast. Doch der „Jakobsweg“ führt hier nicht mehr vorbei. Man hat den Leuten mit dem Weg die Pilger genommen. An einem Zaun hing damals ein Zettel: „Wenn Sie Kaffee möchten, bitte klingeln.“ Erinnerung, kalter Kaffee jetzt.
    Ich möchte die wiederentdeckte Landschaft mit den endlosen Sonnenblumenfeldern umarmen wie einen alten Freund. Das Pfauenauge auf der gelben Blüte flattert mit den Flügeln - ein bunt schillernder Lotse, der mir winkend den Weg weist. Eine liebe Vagabundin meinte einmal: „Wer die Schmetterlinge lachen hört, weiß wie Wolken schmecken.“
    Ich bin allein. In Spanien wird sich das ändern. Die meisten Pilger beginnen dort ihren Weg. Hektisches Getriebe und Party-Stimmung begleiten sie. Mancher, der Ruhe und Einsamkeit gesucht hatte, ja erwartete, wird sich wundern, wird sich ärgern. Vielleicht wird er seine „Erfahrung Jakobusweg“ abbrechen, bevor er sie so richtig machen konnte. Ich bin hier tagsüber allein auf dem Weg, deshalb freue ich mich auf die vielen Menschen in Spanien. Und die Party-Stimmung. Zumindest manchmal. Inmitten der Sonnenblumen lacht ein Gesicht mich an. Irgendwer hatte aus dem gelben Blütenkopf gezielt Kerne herausgepult. Jetzt sind diese Stellen gebräunt und ergeben so ein lachendes Smiley. Ich lächele zurück.
    In Barcelonne-du-Gers öffnet der Wirt gerade sein Lokal. Für viele Pilger ist diese Bar die „Rettung“ gewesen - wie ich den zahlreichen Danksagungen im Gästebuch entnehmen kann. Ich finde meinen Eintrag von 2004 und später auch die Brücke nach Aire-sur-l'Adour.

Das Holzbein eines Pilgers gibt mir zu denken und neue Kraft

    Die Schmerzen in meinem Fuß sind so stark, dass ich nicht mehr richtig laufen kann. Kommt das Ende? Abbruch meiner Wanderung? Ich bin in Abbruchstimmung. Ich werde hier in Aire-sur-I'Adour einen Ruhetag einlegen. In der „Pharmacie“ bekomme ich Salbe, die nach Auffassung der Apothekerin für meinen Fuß die richtige ist. Hat denn die gute Frau überhaupt verstanden, welche Art von Schmerz mich plagt?
    In der Charcuterie kaufe ich köstlichen Schinken. Die „Porcins noirs de Bigorre“, schwarze Schweine, legendär und das ganze Jahr über freilaufend, ernähren sie sich von Walnüssen, Eicheln und Kastanien. Das Baguette aus der Boulangerie schmeckt, als hätte ein deutscher Bäcker versucht, französisches Weißbrot zu backen. Den Vögeln jedoch schmecken die hingeworfenen Krumen, sie füttern sich gegenseitig.
    Am späten Nachmittag sind die Fußbeschwerden kaum noch zu spüren. Verdanke ich das der Salbe, der Wanderpause oder gar diesem

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